International Whoresday 2023 – Rights not Rescue


02.06.2023

Am 02. Juni 1975 besetzten mehr als 100 Sexarbeitende eine Kirche in Frankreich, um sich Gehör zu verschaffen, denn 5 Jahre zuvor setzten die Strafverfolgungsbehörden Menschen im sexuellen Dienstleistungsgewerbe so sehr unter Druck, dass die Betreffenden immer mehr im Verborgenen arbeiten mussten und dadurch noch weiter als ohnehin schon an den Rand der Gesellschaft und damit auch aus der Sicherheit gedrängt wurden. Das Resultat: Zunehmende, schwerste Gewalttaten und zwei Morde an Sexarbeitenden. Trotzdem fehlte seitens der Regierung weiter die Bereitschaft die hochgefährliche Lage der Betreffenden zu verbessern. Aus dieser Hilflosigkeit heraus, folgte das Besetzen der Kirche – ein Ort, der für Sicherheit, Geborgenheit und Offenheit steht. Acht Tage lang hielt der Streik an, bis man die Kirche durch die Polizei räumen ließ.

Seitdem markiert dieser Tag den Startpunkt der Hurenbewegung, die den Kampf um die Rechte der Berufsgruppe fokussiert sowie an die Diskriminierung von Sexarbeitenden und an die oftmals ausbeuterische Lebens- und Arbeitsbedingungen erinnert . Doch bis heute, 48 Jahre später, sind ebendiese diskriminierenden Strukturen, die prekären Lebenslagen sowie die unzähligen Vorurteile nicht beseitigt. Die Situation hat sich für viele sogar noch verschärft. Zum Beispiel durch das Sexkaufverbot in den skandinavischen Ländern, das in weiten Teilen das Gegenteil von dem bewirkt hat, was es eigentlich verhindern sollte: Die Kunden haben mehr Macht bekommen, nicht die Sexarbeitenden.

Es könnte viele Wege zur Verbesserung dieser Lage geben, auf die insbesondere die Betreffenden selbst schon lange aufmerksam machen. Einer davon ist ohne Zweifel die Form der Kommunikation: Nicht „über“, sondern „mit“ den Betreffenden sprechen. So fordert beispielsweise der „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistung e.V.“ schon lange, dass Sexarbeitende in politische Entscheidungen mit einbezogen werden, um einerseits ihre Expertise mit einzubringen und gleichsam bestimmte Bilder, Mythen und Emotionen zum Thema abzubauen und damit eine bessere Gesprächsgrundlage zu schaffen, die gerade für politische Entscheidungen unabdingbar ist. Berechtigt ist hier die Frage, weshalb andere, die so gut wie keine Berührungsprunkte mit den Themen aufweisen, gleichsam so viel Macht über sie haben.

Häufiges Gegenargument: Durch einen solch unaufgeregten Umgang mit den Themen Sexarbeit und Prostitution werden Unterdrückungsmechanismen, Ausbeutungsverhältnisse, Menschenhandel, Zwang oder mafiöse Strukturen ignoriert oder gar schulterzuckend hingenommen. Doch darüber reden wir in diesem Zusammenhang gar nicht.

Sexarbeit bedeutet nämlich nicht per se die Unterdrückung und Unterwerfung der Frau und sie ist auch nicht immer unfreiwillig. Die Dienstleistung ist auch nicht immer Gewalt oder stellt ein Hindernis für die Gleichstellung der Geschlechter dar. Sexarbeit bedeutet Konsens: Das beiderseitige Einverständnis über die sexuelle Dienstleistung zwischen volljährigen Geschäftspartner:innen gegen Entgelt oder materielle Güter. Ist dies nicht gegeben, existiert also Unfreiwilligkeit oder Zwang, so handelt es sich nicht mehr um Sexarbeit, sondern um sexualisierte Gewalt, die immer abzulehnen ist. Darüber hinaus ist Sex gegen den Willen der Beteiligten auch dann eine Straftat, wenn dafür bezahlt wird.

Letztlich reden wir hier also von zwei unterschiedlichen Gegenständen, die allerdings oft miteinander vermischt werden. Dabei stellt es aber gar keinen Widerspruch dar, gleichzeitig gegen Zwangsprostitution, Menschenhandel und Ausbeutung UND für die Rechte von aktiven Sexarbeitenden zu sein – Aber das weiß man eben nicht, wenn man nicht denen spricht, die es betrifft.