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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Kreisvereinigung Münster

 

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ZeitzeugInnengespräche - Wider das Vergessen

Hans Gasparitsch

Hans GasparitschHans Gasparitsch

Widerstandskämpfer und ehemaliger Häftling der KZ Welzheim, Dachau, Flossenbürg und Buchenwald

Hans Gasparitsch wurde am 30. März 1918 in Stuttgart geboren und wuchs im Arbeiterviertel Ostheim auf. Geprägt wurde er durch seine sozialistischen, pazifistischen Eltern, die bei den Naturfreunden organisiert waren. So ging es an den Wochenenden mit den Naturfreunden zum Wandern, und vom 6. Lebensjahr an war Hans im Arbeiter-Schwimmverein seiner Eltern. Eine Zeit lang war er auch bei den Roten Falken organisiert. Darüber hinaus las Hans in seiner Freizeit sehr viel, wobei ihn besonders die sozialkritische und die humanistische Literatur stark prägte. Im Jahre 1932 begann Hans eine Lehre als Schriftsetzer, da sein Vater arbeitslos wurde und das Schulgeld für die Realschule nicht mehr zahlen konnte.

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 trafen sich Hans und seine FreundInnen - die meisten aus dem Arbeiter-Schwimmverein - weiterhin, um gemeinsam ihre Freizeit mit Wanderungen zu verbringen. Sie vereinte ihre Abneigung gegen den Nationalsozialismus und die Hitlerjugend und ihre Abscheu gegen Zwangsmaßnahmen. Die illegale Wandergruppe wurde im Laufe der NS-Zeit durch die gesellschaftliche Entwicklung mehr und mehr politisiert.

Schließlich bildete sich im Herbst 1933 aus der Wandergruppe heraus eine Widerstandsgruppe mit dem Namen "Gruppe G" (G für Gemeinschaft). Die Jugendlichen hielten konspirative Treffen ab, gaben sich Tarnnamen (Hans hieß Micha), diskutierten, bildeten sich politisch, druckten und verteilten Flugblätter und malten Parolen an die Wände.

Bei einer Aktion der Gruppe im Frühjahr 1935 schrieb Hans "Hitler = Krieg" und "Rot Front" an die Sockel zweier Statuen im Stuttgarter Schlossgarten und wurde kurz danach verhaftet. Der 17jährige wurde für seine Widerstandsaktion gegen den Krieg zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner Haftzeit im Gefängnis auf dem Oberen Kuhberg in Ulm kam er - weil "das Strafziel nicht erreicht war" - in die KZ Welzheim, Dachau, Flossenbürg und Buchenwald.

BEKENNTNIS

Ich bin ein Mensch - 
und erstrebe im Geben und Nehmen Liebe jeder Art: Wärme, Zärtlichkeit, Freundschaft und Ineinander-Aufgehen -

Ich bin ein Werktätiger - 
und erstrebe im Geben und Nehmen Solidarität gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit, sowie Wissen um die Zusammenhänge in der Gesellschaft -

Ich bin ein Antifaschist - 
und erstrebe im Geben und Nehmen eine Demokratie des Volkes, die die Geiseln der Menschheit, Krieg und Faschismus für alle Zeiten ausmerzt -

Ich bin ein Kommunist - 
und erstrebe im Geben und Nehmen Humanismus und Lebens- rechte sowie freie Entfaltung für Jeden einzelnen, gleich welcher Religion, Weltanschauung, Hautfarbe oder Nationalität -

HANS / MICHA

Durch die Solidarität der politischen Häftlinge überlebte Hans in zweifacher Hinsicht die Konzentrationslager. Psychisch, weil er durch sie nicht gebrochen werden konnte und physisch, weil er durch sie vor dem "Todeskommando Steinbruch" gerettet wurde. Diese in den KZ erfahrene Solidarität und Menschlichkeit machten Hans aber auch zum überzeugten Kommunisten. Am 11. April 1945 war er an der Selbstbefreiung der Häftlinge des KZ Buchenwald beteiligt und leistete zusammen mit den Überlebenden auf dem Appellplatz am 19. April 1945 den "Schwur von Buchenwald", dem er sein ganzes Leben verpflichtet blieb.

Nach der Rückkehr begann er, seine 1935 zwangsweise unterbrochene politische, antifaschistische Aktivität fortzusetzen und engagierte sich für den Aufbau eines neuen Deutschlands. Im Jahre 1947 gründete Hans zusammen mit anderen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes im Südwesten und prägte die Organisation durch seine Aktivität mit.

In der DDR wurde ihm ermöglicht, das Abitur zu machen und Journalismus zu studieren. In der BRD musste er diesen Beruf wieder aufgeben, weil die "Zeitungen Volksstimme" und "Badisches Volksecho" im Zuge des KPD-Verbotes verboten und beschlagnahmt wurden. Eine andere Zeitung, die einen Redakteur mit dieser Vergangenheit eingestellt hätte, gab es nicht. Zusammen mit seiner Frau Lilly hielt er sich mit einem Milchladen über Wasser. Durch ein Fernstudium der Architektur baute sich Hans eine neue berufliche Existenz auf.

Im Jahre 1960 wurden die von ihm und drei anderen Überlebenden der Widerstandsgruppe niedergeschriebenen Erinnerungen als Buch "Die Schicksale der Gruppe G" von einem Verlag in der DDR herausgebracht. In der BRD erschien erst im Jahre 1994 unter dem Titel "Hanna, Kolka, Ast und andere..." eine aktualisierte Neufassung des Buches über die "Gruppe G".

Vor allem den jungen Generationen wollte er seine Erlebnisse und Erfahrungen im Kampf gegen den Faschismus vermitteln. So besuchte er immer wieder Schulen und auch Universitäten, führte Gruppen durch die Gedenkstätten Dachau, Oberer Kuhberg und Buchenwald und bei antifaschistischen Stadtrundfahrten in Stuttgart.

In der Bundesrepublik engagierte sich Hans bei allen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen, war bei Protesten und Widerstand aktiv dabei: Kampf um den Frieden, Kampf dem Atomtod, Ostermärsche, Nein zu Pershing II, Kein Blut für Öl, Bundeswehr in alle Welt - Wir sagen Nein, Stoppt den Krieg. Darüber hinaus setzte er sich für den Erhalt und Ausbau, aber auch gegen die Verfälschung bzw. Umwidmung der nationalsozialistischen Gedenkstätten ein. Viele Jahre lang war er der Vorsitzender des Trägervereines Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg in Ulm.

Aber immer wieder war er aktiv auf der Straße: So demonstrierte Hans am 26. Mai 1993 in seiner alten KZ-Häftlingskleidung in Bonn gegen die faktische Abschaffung des Asylrechtes durch den Deutschen Bundestag und musste sich dabei von Polizisten anrempeln lassen.

Am 26. Mai 2000, (erst) 55 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus, bekommt Hans für sein antifaschistisches Engagement vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.

Seiner kommunistischen Überzeugung ist Hans stets treu geblieben: "Was ich mir in den Schriften und Büchern der Sozialisten, Pazifisten und Humanisten als meinen Lebenstraum herausgelesen hatte, das wollte ich mir und der ganzen Jugend erhalten: Soziale Gerechtigkeit für alle, Toleranz und Freundschaft mit allen, Kultur und Bildung für jeden - über alle Grenzen hinweg. Und Frieden für alle Völker der Welt. Das ist mein Traum - auch heute noch!". Hans hat vieles dazu beigetragen, dass dieser Traum eines Tages Wirklichkeit sein könnte.

Hans Gasparitsch starb am 13. April 2002 nach schwerer Krankheit in Stuttgart.

Ein menschlicher Mensch

Als Jugendlicher leistete Hans Gasparitsch gegen den deutschen Faschismus Widerstand und musste dafür 10 Jahre seines Lebens in nationalsozialistischen Gefängnissen und Konzentrationslagern verbringen.

Im Januar 1996 kam er im Rahmen unserer "ZeitzeugInnengespräche - Wider das Vergessen" nach Münster und berichtete vielen jungen Menschen von seinen Erlebnissen und Erfahrungen im Kampf gegen den Nationalsozialismus. Wir erfuhren von ihm aber mehr als "nur" Geschichte aus erster Hand. So erzählte er uns auch von der großen Menschlichkeit und Solidarität unter den Häftlingen, die er neben der Gewalt und dem Terror im Konzentrationslager kennen gelernt und die ihn für alle Zeiten geprägt hatte. Es war für alle eine unvergessliche Begegnung!

Leider war Hans Gasparitsch "nur" dieses eine Mal in Münster, aber wir trafen uns immer wieder an den verschiedensten Orten - auch in Buchenwald - und wir blieben freundschaftlich verbunden. All diese Gespräche mit ihm über Geschichte und Politik, aber auch über andere Dinge des menschlichen Lebens, und seine Liebe zur Natur und - trotz alledem - zu den Menschen haben mir persönlich sehr viel gegeben!

Wir haben mit Hans Gasparitsch einen aufrichtigen und warmherzigen Menschen verloren, der Zeit seines Lebens mit offenen Augen durch die Welt ging! Er war ein wahrhaft menschlicher Mensch! Wir werden ihn nie vergessen und seine Erlebnisse und Erfahrungen aus dem Kampf gegen den Faschismus den uns nachfolgenden Generationen - im Sinne des Schwurs von Buchenwald - weitergeben!

Christoph Leclaire - VVN/BdA Münster