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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Kreisvereinigung Münster

 

September 2000 

"Insel der Seligen"? 

"Tag der Heimat" des BdV in Münster: Rechtspopulist Klaus Rainer Röhl ausgeladen 

Bund der Vertriebenen verbreitet revisionistische Positionen

von Jan Große Nobis

Münster - die Stadt der Glückseligen? 1998 marschierte die NPD gegen die Wehrmachtsausstellung auf, im November wollte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen einen münsterländischen Neonazi einstellen, der beim damaligen Naziaufmarsch in Rostock einen Antifaschisten mit seinem Auto jagte und fast tödlich verletzte, jüngst schossen Neonazis Silvesterböller auf Kinder, am Samstag, den 26. August jagten drei Skins zwei Afrikaner durch die Stadt. Meistens von den zwei konservativ bzw. konservativ-liberalen Tageszeitungen totgeschwiegen, bekommt Münsters Bürger den Rassismus nicht mit - diesmal konnte wegen des Sommerloch-Antifaschismus der bürgerlichen Presse die Jagd auf die zwei Afrikaner nicht verschwiegen werden.

In dieser Atmosphäre wollte der Bund der Vertriebenen Münster (BdV) den Tag mit dem Ex-"konkret"-Herausgeber und inzwischen zum Rechtspopulisten gewandelten Dr. Klaus Rainer Röhl begehen. Röhl, Mitglied der FDP, ist Publizist in rechten und revanchistischen Postillen. Er schreibt u a. für die "Junge Freiheit", das "Ostpreußenblatt" oder das "Deutschlandmagazin", das den Schulterschluß mit den Kohl, Kanthers und Lummers geschafft hat, bis zu konservativen Zeitungen wie der "Welt am Sonntag". Er sollte wahrscheinlich - wie er es gerne tut - die Debatte um das Vertriebenen-Denkmal in Berlin und wohl auch die Debatte um eine derartige Gedenktafel in Münster anheizen.

Der BdV Münster hat schon in seiner ganzen Geschichte bei Veranstaltungen auf Politgrößen der rechten Szene zurückgegriffen. Gestoßen auf diese Veranstaltung wurde die Kreisvereinigung der VVN/BdA in Münster durch einen Artikel in der "taz münster" über den BdV: Nach einem Verriß des BdV wurde dann doch diese Veranstaltung unkritisch angekündigt. Die VVN/BdA wandte sich in einem Offenen Brief an den CDU-Oberbürgermeister Dr. Bertold Tillmann und die Stadtratsfraktionen. "Klaus Rainer Röhl ist in der Vergangenheit durch zahlreiche rassistische und revanchistische Artikel [...] in Erscheinung getreten.. Sein publizistisches Engagement verbindet Röhl mit einer umfangreichen Vortragstätigkeit. So ist er in der Vergangenheit beispielsweise innerhalb einer Vortagsreihe mit dem britischen Auschwitzleugner David Irving aufgetreten", schrieb die VVN/BdA in ihrem Brief und forderte den Oberbürgermeister auf, "daß einer Veranstaltung des BdV Münster mit Herrn Klaus Rainer Röhl am 10. September 2000 keine öffentliche Räume zur Verfügung gestellt werden.". Gemeint war damit der Festsaal des münsteraner Rathauses, eines der zwei Rathäuser, in dem 1648 der westfälische Frieden geschlossen wurde. Denn, es werde befürchtet, "daß Röhls Auftritt am "Tag der Heimat" dazu dienen soll, nationalsozialistische Verbrechen zu relativieren, indem diese gegenübergestellt werden sollen mit dem "angeblichen "Völkermord an ostdeutschen Stämmen" (Paul Latussek, stellv. Vorsitzender des BdV)"

Reagiert wurde - Die münsteraner FDP-Chefin Carola Möllemann-Appelhof meldete sich als Erste zu Wort und forderte, die Genehmigung für die Nutzung des Festsaales zu widerrufen, da es "unerträglich" sei, wenn ein Publizist der "Neuen Rechten" im Rathaus zu Wort kommen sollte - in Unkenntnis der Parteimitgliedschaft Röhls in der FDP. So ruderte die FDP eine Woche später geschwind zurück und unterstellte der VVN/BdA eine unseriöse Informationspolitik: Eine münsteraner Zeitung hatte die VVN widersprüchlich wiedergegeben: Diese Zeitung hatte fälschlicherweise angedeutet, Röhl kenne Irving - entgegen der Darstellung der VVN, Röhl habe an ein und derselben Vortragsreihe wie Irving teilgenommen. Lediglich die SPD zog ihre Kritik an der Einladung Röhls durch. Die Grünen sind dagegen ruhig geblieben. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Udo Reiter verfaßte einen Brief an den Oberbürgermeister, in dem er die Absage der Veranstaltung forderte. Reiter schrieb: "Mir ist egal, ob Röhl selbst als Rechtsextremist bezeichnet werden kann oder ob sein Gedankengut "nur" von der braunen Soße begierig aufgesogen wird. Fakt ist, ein Klaus Rainer Röhl hat auf einer Veranstaltung, die im städtischen Rathaus stattfindet, nichts zu suchen." Weiter kritisierte er, daß der BdV offiziell zu einer solchen Veranstaltung einladen konnte: "Gerade nach den abscheulichen Szenen von Skinheads an der Hammer Str. [gemeint war die genannte Jagd auf zwei Afrikaner; d. A.] wäre hier ein Höchstmaß an Sensibilität geboten gewesen." So sollte nun doch das Vorgehen der Stadt Münster im Ältestenrat der Stadt diskutiert werden.

Aber am Ende kam ein Kompromiß durch Hinterzimmergespräche des CDU-Oberbürgermeisters mit dem BdV zustande. Offiziell habe Röhl aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Dagegen ließ Röhl selber durch eine münsteraner Zeitung verlautbaren, daß er "fit" sei und jederzeit "einem kleinen Gefecht mit Autonomen gewachsen sei." Der Oberbürgermeister lobte die "rechtzeitige Versachlichung" der Diskussion und würdigte die "wichtige gesellschaftliche, kulturelle und politische Integrationsaufgabe" des BdV in Münster. So weit so gut. Der VVN in Münster reichte dies nicht: In einem zweiten Offenen Brief wandte diese sich erneut an den Oberbürgermeister: "Leider sehen wir die Gefahr, daß der "Tag der Heimat" auch durch den örtlichen BdV dazu genutzt werden soll, nationalsozialistische Verbrechen zu relativieren." So habe sich die münsteraner BdV-Vorsitzende Roswitha Möller jüngst in der "taz münster" eindeutig zur Kriegsschuldfrage im Zweiten Weltkrieg so geäußert: "Wenn Hitler 1939 sagte, ab 5:45 Uhr wird zurück geschossen, warum? Weil die Polen im Widerspruch zum Versailler Vertrag mehr und mehr das Korridorgebiet annektiert und die Deutschen vertrieben!"

Möller selber scheut sich nicht auch mit rechtsextremen Vereinigungen, wie der NPD oder der "Deutschen Liga für Volk und Heimat", unter ein und demselben Aufruf zu stehen. So hatte sie in einer Anzeige in der BdV-Zeitung "Deutschen Umschau" 1998 unter dem Motto "Machen gerade wir Frauen deutlich, daß unsere Männer, Väter und Großväter keine Verbrecher waren" gegen die damals in Münster gastierende "Wehrmachtsausstellung" zum Widerstand aufgerufen. Prompt fiel auch die NPD unter dem Motto "Unsere Väter waren keine Verbrecher" noch im gleichen Jahr in Münster ein.

So konnte - trotz der Kritik und der Präsenz der VVN - am 10. September im münsteraner Rathaus der BdV seinen "Tag der Heimat" feiern. Eingeleitet durch ein Grußwort des Oberbürgermeisters Tillmann, umrahmt durch Volkstanz und Jagdmusik, hielt Roswitha Möller den Vortrag nun selbst: Eingerahmt in internationales oder europäisches Recht referierte sie über das "fundamentale Menschenrecht" auf Heimat und das internationale Verbrechen, daß an den "ostdeutschen" Vertriebenen begangen worden sei. Aber sie schien wohl Kreide gefressen zu haben, denn entgegen sonstigen Anlässen, forderte sie dieses Mal - wie schon einmal in einem Interview mit der studentischen Zeitschrift "Semesterspiegel" - keine Grenzverschiebungen der völkerrechtlich fest geschriebenen Oder-Neiße-Grenze nach Osten. Um so offener wurden die Verbindungen deutlich, wenn man die ausliegenden Publikationen betrachtet: Trotz der Absage des Vortrags von Röhl wurde dieser völkisch-tümelnde Text der Rede ausgelegt.

Aber noch eine Publikation fiel auf: "Der Schlesier". Das ehemalige Organ der Vertriebenen, Ende der Achtziger Jahre trennten sich die Landsmannschaft Schlesien von dieser Publikation, wird in den zwei letzten Landesverfassungsschutzberichten von NRW als Organ des geographischen Revisionismus bezeichnet und Nähe zu den rechtsextremen Parteien Republikanern und NPD nachgewiesen. Was noch auffiel? Auf dem Exemplar des Schlesiers, das mir ausgehändigt wurde, klebt ein Adreßaufkleber, der den Namen des stellvertretenden Vorsitzenden des münsteraner BdV und Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien in Münster Walter Christoph trägt. Wie weit trägt da die Aussage des aktuellen Landesverfassungsschutzberichtes NRW, daß "der Schlesier" weder "offizielles noch inoffizielles Organ" des BdV oder der Landsmannschaft Schlesien sei?

So sieht die VVN am Ende in ihrer Aktion einen Erfolg. Röhls Auftritt sei verhindert worden und das Thema Revanchismus in der Stadt seit langem wieder thematisiert worden. Der BdV habe aber trotzdem seine Veranstaltung im Rathaus durchführen können. "Was auch kein Wunder gewesen ist, da trotz der Politik der BdV-Vorsitzenden in Münster die politische Stellung des BdV gefestigt ist", führt die VVN Münster dazu aus. 

Erschienen in: Semesterspiegel, Oktober 2000 
Antifaschistische Nachrichten, Nr. 20 (28.9.2000)