Die Geschichte der Waldsiedlung - Versuch einer Chronik

18. Jahrhundert und vorher: Unsere Gegend war ganz ursprünglich eine Heidelandschaft, so wie sie heute noch im Naturschutzgebiet hinter dem Heinrich-von-Stephan-Ring vorzufinden ist.

19. Jahrhundert bis ca. 1935: Landwirtschaftliche Nutzung, vor allem Bohnenfelder, wo der Name Bonnenkamp seinen Ursprung findet.

NS-Zeit bis 1945: Verstecke für Kriegsflugzeuge, die über den Albersloher Weg zum Rollfeld auf der Loddenheide fuhren (heutiges Gewerbegebiet „Loddenheide“).

bis 1963: wenig Nutzung, etwas Landwirtschaft, starker Baumbewuchs.

1962 - 1968: Bau der Waldsiedlung. Begrenzt durch die Hiltruper Str. im Süden, den Albersloher Weg im Westen, den Erdelbach im Norden und die Werse im Osten entsteht eine am südlichen Rand Münsters gelegene Siedlung im Walde und bekommt von daher ihren bis heute gültigen Namen.

1963 - 1964: Bau der Reihenhäuser und der Mehrfamilienhäuser der heutigen Osthuesheide.

1964 - 1985: Britische Soldatenfamilien bewohnen ausschließlich die Mehrfamilienhäuser. In den Reihenhäusern an der Hiltruper Straße wohnen Offiziersfamilien.

1967: Eröffnung der Eichendorffschule

ca. 1975: Im Zuge der Gebietsreform der kommunalen Neuordnung werden die ehemaligen Straßen Gerhard-Hauptmann-Str. und Robert-Koch-Str. umbenannt in Osthuesheide, da selbige Straßennamen in Münster andernorts bereits bestehen.

1985: Die britische Armee gibt die Siedlung auf. Die Mehrfamilienhäuser und die Reihenhäuser in der Osthuesheide stehen sämtlich leer und werden, nur oberflächlich renoviert, an Eigentümer im gesamten Bundesgebiet veräußert und komplett neu vermietet. Insgesamt sind binnen weniger Monate an die 250 Wohneinheiten verkauft und neu vermietet worden.

1985 - 1990: Die Heide, wie sie liebevoll von ihren Anwohnern genannt wird, besitzt eine dörfliche Struktur ohne Fluktuation. Jede/r kennt Jede/n. Kinderreiche Familien, Arbeiter und Sozialhilfeempfänger leben hier, ebenso Sinti-Familien und Flüchtlinge aus dem Libanon und Sri Lanka sowie Menschen mit psychischen Behinderungen im Rahmen von Betreutem Wohnen.

1986: Die Kirchengemeinde St. Bernhard mietet die Wohnung Osthuesheide 63 an und richtet dort ein „Gemeindezentrum“ ein. Somit beginnt die Sozialarbeit in der Osthuesheide.

1987 - 1990: Die Friedenskirchen-Gemeinde mietet den ehemaligen Bäckerladen an (heute „Imbiss bei Omi“) und betreibt hier Jugendarbeit, die durch den enormen Bedarf an Gemeinwesenarbeit für junge Erwachsene ihre Grenzen erfährt.

1988: Der Caritasverband für die Stadt Münster e.V. übernimmt die Trägerschaft im Gemeindezentrum für Gemeinwesenarbeit.

1988 - 1992: Die Bewohnerrinnen und Bewohner gründen selbst eine Mieterinitiative, in der sie sich gegen den Verfall der Häuser, gegen braun verschmutztes Wasser und gegen überhöhte Heizkosten zur Wehr setzen. Mehrfaches Wechseln der Hausverwaltungen.

1989: Das Projekt „Spielgruppe zwischen den Häusern“ durch engagierte Mieter beginnt, die den Bedarf erkennen und seitens der Stadt Projektmittel bekommen.

1989: Gründung des bis heute aktiven Stadtteil Arbeitskreises „AK Waldsiedlung“, der viermal jährlich tagt. Mitglieder sind die LeiterInnen aller sozialen Einrichtungen, Kindergärten, Schulen, Gemeinden etc. Ziel ist es, die Vernetzung zu optimieren, die Sozialarbeit zu bilanzieren und auf den Bedarf zu reagieren.

1989 - 1995: Nach dem Fall der Mauer beginnt eine hohe Fluktuation, Familien aus der ehemaligen DDR und dem Gebiet des Warschauer Paktes sehen im Wohngebiet Osthuesheide nur eine Durchgangsstation. Immer neue Gesichter, das „Wir-Gefühl“ in der Heide zerfällt und der Begriff des „Ghetto“ taucht vermehrt auf.

1989: Engagierte Eltern organisieren einen privaten Busverkehr für ihre Kinder zum Kindergarten Wielerort nach Hiltrup, da der St. Bernhard-Kindergarten nicht groß genug ist. Der von diesen Eltern eingeforderte weitere Kindergarten in der Waldsiedlung wird der später gebaute städtische Eichendorff-Kindergarten sein.

1990: Die zweite Planstelle des Caritasverbandes, jetzt mit dem Schwerpunkt für Arbeit mit Alleinerziehenden und Familien wird eingerichtet.

1990 – 1993: Das Baugebiet „Am Schütthook“ ist die jüngste Erweiterung der Waldsiedlung.

1991: Eröffnung der Kindertagesstätte Miriam in der Osthuesheide.

1992: Der Eichendorff-Kindergarten wird gebaut. - Der AK-Waldsiedlung bemüht sich u. a. um den Bau eines Spielplatzes und die Einrichtung eines festen Jugendangebotes in der Osthuesheide.

1993: Das Gemeindezentrum wechselt in die Räume Osthuesheide 73 und heißt später „Caritas vor Ort“.Das Diakonische Werk Münster e.V. beginnt die Streetwork Arbeit für Kinder- und Jugendliche in der Osthuesheide. Bezug der Räume im Haus 63.

1994: Der rechte Straßenteil der Osthuesheide wird in Bonnenkamp umbenannt.

ab 1995: Vermehrter Zuzug von Familien aus den Bürgerkriegsgebieten in Ex-Jugoslawien.

1996: Die „Mobile“, das Jugendprojekt in Haus 63 platzt aus allen Nähten.

1997: Bau des Jugendheimes „Mobile“ durch das Diakonische Werk Münster mit Mitteln der Stadt Münster für die Jugendlichen im Wohngebiet Osthuesheide.

seit 1997: Die Münstertafel teilt einmal pro Woche Lebensmittel aus, die von Ehrenamtlichen aus dem Wohngebiet selbst verteilt werden.

1997 - 1998: Der Arbeitskreis Waldsiedlung führt gemeinsam mit der Stadt mehrere Stadtteilkonferenzen durch, in denen der Bedarf an Gemeinwesenarbeit konkretisiert wird.

Ab 1999: Das Projekt „Wald und Heide“ wird mit Mitteln der Stiftung Siverdes in Gewährleistungsträgerschaft des Caritasverbandes installiert. Ziele sind u. a. Straßenfeste, Bewohner-Versammlungen, Bewohner- Befragungen, die Gründung eines gemeinnützigen Vereines zur beidseitigen Integration auf der Basis ehrenamtlichen Engagements sowie spezifische Angebote entsprechend des Bedarfs der Menschen in der Waldsiedlung.

1999: Die Gründung des gemeinnützigen Vereines „Treffpunkt Waldsiedlung e.V.“ (TW) ermöglicht Integrationsangebote im Sinne des Mottos „Gelebte Integration“ und „Beidseitige Integration“ im Ehrenamt.

Das Sozialamt der Stadt Münster beschließt auf Drängen des AK-Waldsiedlung den Zuzugstopp für Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsgebieten vom Balkan. Vornehmlich Roma Familien zeigen den hohen Bedarf an Integrationsarbeit auf. So wird der zunehmenden Ghettoisierung des Wohngebietes zumindest Einhalt geboten.

2000: Die Eichendorffschule erhält eine zusätzliche Stelle: Sozialarbeit zur Integrationsarbeit.

seit 2001: Das Projekt „Wald und Heide“ mit Mitteln der Stiftung Siverdes wird fortgeführt. Der Verein Treffpunkt Waldsiedlung e.V. ist mittlerweile etabliert, seine Tätigkeiten (z.B. Projekt Kulturbegegnungen, Interreligiöse Stunde, Frauenfrühstück, Sprachkurse, Schachgruppe, Nähstube und vieles mehr) sowie seine Organisation der Vermietung der Räume des TW für private Feiern (Geburtstage, Hochzeiten, multikulturelle Feste) bewirken insgesamt im Verbund mit den übrigen Angeboten der Wohlfahrtsverbände und des KSD (Kommunaler Sozialer Dienst) eine zunehmende Verbesserung des Lebensklimas.

Durch die regelmäßig an jedem ersten Montag im Monat stattfindenden Treffen des Aktionskreises im TW wird die Kommunikation der Aktualität der Lebensverhältnisse im Wohngebiet gewährleistet.

2001: Bau des Spielplatzes in der Osthuesheide nach fast 10-jährigem Bemühen.

2001: Nach den Terroranschlägen vom 11. September finden sich über 140 Menschen zum ersten interreligiösen Gebet im TW ein. Hieraus wird später die Interreligiöse Stunde und dann die Universelle Feier, die regelmäßig in der Eichendorffschule abgehalten wird zum gemeinsamen Gebet aller großen Weltreligionen.

2001-2005: Die Stadt Münster finanziert die Stelle des Nation-Workers Fadil Mehmeti, der für die Integrationsarbeit für Roma-Flüchtlingsfamilien im ganzen Stadtgebiet aktiv wird, etwa ¼ seiner Stelle ist für die Arbeit in der Osthuesheide vorgesehen.

2002-2004: Der Treffpunkt Waldsiedlung e.V. organisiert unter fachlicher Begleitung des Teams „Mobile“ die „Aufsuchende Kinder- und Jugendarbeit“ in den Schulferien mit Mitteln des Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien und des bei einem Wettbewerb der Rotarier Münster gewonnen Preisgeldes.

2004: Der TW greift den Begriff der Sympathiekampagne auf, der bei der 7. Bewohnerversammlung in den Vordergrund gerückt wurde, um der Stigmatisierung entgegen zu wirken. Desweiteren bekommt der Verein für seine Räume aus einem Nachlass eine Bibliothek zur Verfügung gestellt, die reich an Bildbänden ist.

2004: Der Mitbegründer des Treffpunkt Waldsiedlung e.V. und als Vorbild für engagierte Integrationsarbeit geltende erste Vorsitzende des TW Herr Bernhard Kemper verstirbt.Der Treffpunkt Waldsiedlung e. V. leitet die Vorbereitung und Organisation der ersten Familienolympiade in Münster, die durch alle sozialen Einrichtungen und Gemeinden ausgerichtet wird. Bei diesem mittlerweile auch in anderen Stadtteilen Schule machenden kreativen Fest waren über 60 Familien gemeinsam aktiv.

2005: Aus dem Aktionskreis des TW heraus wird bereits sehr früh Alarm geschlagen im Hinblick auf die Jugendlichen, die ein z. T. inakzeptables Verhalten zeigen. Die Stadt Münster reagiert entsprechend schnell mit dem wirksamen Handlungsprogramm Osthuesheide.Der Aktionskreis des TW begeht feierlich seine 100. Sitzung.

2006: Der TW e.V. beteiligt sich mit dem Buch-Projekt „Alte Heimat – Neue Heimat“ am Freiwilligentag der Freiwilligenagentur Münster.

Es war natürlich nicht möglich, sämtliche Ereignisse und Entwicklungen in der Waldsiedlung aufzuführen. Dies ist ein Versuch, zumindest das Wichtigste in groben Zügen zusammenzutragen.

Karen Damke und Mark Dingerkus