Auf dieser Seite könnte direkt mit dem Vorwort begonnen werden,

Sommer-Ferienlager in Seliştat


26.07.–29.07.

Anreise der Mitarbeiter der Initiative aus Dresden (bzw. Deutschland) mit zwei verschiedenen Autos. Alle treffen sich in Moşna in Siebenbürgen. Von dort aus werden die restlichen Vorbereitungen getroffen, die Materialien sortiert und in die Autos verladen. Wir besuchen die beiden Heime, um mit den Leitern der Einrichtungen letzte Absprachen bezüglich der Kinder im Ferienlager zu treffen. Die Mediascher Gruppe wurde auf Wunsch der Direktorin von 10 auf 15 Kinder aufgestockt. Dafür stellt man uns aber einen weiteren PKW für die gesamte Zeit des Ferienlagers zur Verfügung, um die damit verbundenen logistischen Probleme vor Ort besser lösen zu können.

Neben den drei Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren aus der evangelischen Gemeinde in Făgăraş (Sieglinde Müller, Monica Montsch und Cristina Chiujdea), kommt zusätzlich eine Familie aus Mediaş mit ins Ferienlager (Paul und Mariana Györki sowie ihre beiden Söhne Andreas, 14 Jahre, und Lucian, 11 Jahre). Mariana arbeitet im Mediascher Kinderheim als leitende Krankenschwester. Aus dem Arbegener Kinderheim kommt die Erzieherin Maria Tărchilă mit ihrem dreizehnjährigen Sohn Cristian als Helferin mit. Insgesamt sind wir jetzt eine Gruppe von über 40 Personen.

30.07.

Der Ankunftstag in Seliştat – für die Kinder und auch für alle beteiligten Mitarbeiter ein Tag voller Wiedersehensfreude und intensiver Eindrücke durch die lange Fahrtzeit in Auto oder Zug. Die Zimmer werden verteilt, es herrscht ein buntes Treiben, auch beim Abendessen. Trotz allgemeiner Müdigkeit kommen die Kinder schwer zur Ruhe.


31.07.

Nach dem gemeinsamen Frühstück erobern wir mit den Kindern die Umgebung des Gästehauses. Im Garten wird ein Volleyball-Netz aufgebaut, Federball und Bälle kommen zum Einsatz. Aktives Spiel, ob allein, paarweise oder im Team – für alle Kinder ist etwas Passendes dabei. Am Nachmittag machen wir einen längeren Spaziergang durch die nahe gelegenen Felder zu einer Hoch- ebene. Dort machen wir Picknick mit den Kindern, spielen Fußball bzw. andere mitgebrachte Spiele.


01.08.–05.08.

Die drei geplanten Exkursionen zur Mittelalterfestung Râşnov werden durchgeführt. Râşnov liegt ca. 10 km entfernt von Braşov. Die Kinder, die Jugendlichen aus Făgăraş und die Mitarbeiter der Initiative werden auf drei Exkursionsgruppen aufgeteilt. Jeden Tag fährt eine andere Gruppe zur Exkursion. Das Programm ist für jede der Gruppen identisch. Besichtigung der Burganlage, des Brunnens und der ausgestellten mittelalterlichen Geräte. Danach gibt es Mittagessen im Restaurant. Jedes Kind darf sich ein kleines Souvenir aussuchen.

In Seliştat nutzte der andere Teil der Gruppe die Zeit zu unterschiedlichsten Aktivitäten. So konnten die Kinder unter anderem Kerzen basteln, Kekse mit buntem Zuckerguss verzieren, Pudding kochen und Bilder aus Bügelperlen anfertigen. Das Aufbauen und Befüllen eines großen Schwimmbassins mit Wasser aus dem nahe gelegen Brunnen war zusätzlich ein großer Spaß, vor allem für die jüngeren Kinder.

Bei Spaziergängen durch das Dorf kamen wir auch gelegentlich ins Gespräch mit anderen einheimischen Rumänen vor Ort. Einige unserer Kinder spielten sogar Fußball mit Kindern aus dem Dorf. Außerdem übten die Schülerinnen aus Făgăraş mit einigen Kindern ein kleines Theaterstück ein.


04.08.

An diesem Sonntag fand keine Exkursion statt. Die Jugendlichen aus Făgăraş hatten für diesen Tag ein sehr spannendes Geländespiel vorbereitet, welches sie mit sehr viel Engagement und Kreativität im Vorbereitungsseminar geplant hatten. Die Kinder waren voll dabei, beantworten die gestellten Fragen und rannten um die Wette. Am späteren Nachmittag wurde das eingeübte Theaterstück „Rotkäppchen und der böse Wolf“ zur Begeisterung aller aufgeführt. Als kleinen Höhepunkt ließen wir am Abend einen Ballon mit einer Kerze steigen.


06.08.

Der letzte Tag des Ferienlagers ist angebrochen. Am Vormittag spielen wir Topfschlagen im Garten. Die Kinder freuen sich über die ergatterten Geschenke. Abends grillen wir Fleisch und machen Lagerfeuer mit den Kindern. Beim Singen am Feuer kommt ein wenig Abschiedsstimmung auf.


07.08.

Abfahrtstag – die Kinder aus Agârbiciu müssen früher abfahren als die Kinder aus Mediaş. Materialien und Spielsachen werden sortiert, in Kisten gepackt und verladen. Die Zimmer müssen gereinigt und kontrolliert werden. Die Fahrt verläuft für alle ohne größere Komplikationen. Am Abend sind alle Kinder wohlbehalten angekommen. Wir treffen uns mit der Direktorin des Heimes in Mediaş zu einem abschließenden Gespräch.


08.08.–09.08.

Rückfahrt nach Dresden.


Persönlicher Rückblick

Das Ferienlager im August 2008 war in vielerlei Hinsicht besonders eindrücklich. Nicht nur durch die Tatsache, dass das Wetter uns mit sommerlich heißen Temperaturen verwöhnt hat und es uns möglich war, die gesamten sieben Tage für die verschiedensten Aktionen und Spiele im Freien nutzen zu können. So verbrachten die Kinder viel Zeit in der schönen Umgebung.

Eine neue Herausforderung bezüglich Annäherung und Kommunikation war die Tatsache, dass wir neben den Heimkindern und uns deutschen Betreuern eine recht große rumänische Gruppe in die bestehende Gruppe einbinden wollten: Die beiden Mitarbeiterinnen aus den Kinderheimen, die Mann und Söhne mitbrachten, und die rumänischen Jugendlichen der Kirchgemeinde Făgăraş. Dabei haben wir viele positive Erfahrungen gemacht. Die Zusammenarbeit der Erwachsenen bei der Betreuung der Kinder wurde von der damit entstandenen „Vielsprachigkeit“ unglaublich aufgewertet. Kommunikationsbarrieren konnten auf eine sehr kreative Art und Weise abgebaut werden, die Verständigung zwischen den Mitarbeitern aus Deutschland und den rumänisch sprechenden Kindern war viel besser möglich.

Eine wichtige Rolle nahmen in diesem Zusammenhang die Jugendlichen aus Făgăraş mit ihren Deutschkenntnissen ein. Durch ihre Mitarbeit war es viel einfacher, Spiele anzuleiten, Aktionen (wie das Geländespiel z.B.) durchzuführen, und so konnte auch besser auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingegangen werden.

Die Exkursionen führten uns dieses Mal nach Râşnov, einer mittelalterlichen Festungsanlage in der Nähe von Braşov. Die Kinder waren fasziniert von den vielen alten Gerätschaften, die überall im Gelände der wunderbar restaurierten Museumsanlage ausgestellt waren. Von der Aussichts- plattform hatten wir auch einen atemberaubenden Ausblick auf das gesamte Umland.

Ein besonderer Höhepunkt war neben dem Abschlussgrillen und Lagerfeuer am letzten Abend, das Steigenlassen eines kleinen Heißluftballons zum Andenken an unseren Răzvan. Während wir alle in den Himmel schauten, erinnerten wir uns intensiv und bewusst an ihn, einen geistig behinderten Jungen aus dem Mediascher Heim, der ein paar Wochen zuvor ganz plötzlich an Herzversagen gestorben war und vorher bei keinem unserer Ferienlager gefehlt hatte. Noch zu Ostern dieses Jahres war er dabei. Es waren wohl seine schönsten Zeiten in Seliştat. Diese Gedenkminuten waren für uns alle, und besonders für die Kinder ein sehr bewegender, unvergesslicher Moment.

Für mich persönlich war es wieder einmal besonders beeindruckend, wie schnell die Kinder voneinander lernen. Gerade auch durch den insgesamt größeren Anteil an älteren Kindern (14–18 Jahre) war es sehr eindrücklich, wie doch versucht wurde, Rücksicht auf schwächere zu nehmen und Fairness im Spiel umzusetzen. Auch die inzwischen entstandenen Freundschaften zwischen einzelnen Kindern der verschiedenen Heime sind ein nicht zu unterschätzender Bestandteil in diesem sozialen Lernprozess. Auch die Berührungsängste zwischen den einzelnen Lebenswelten schienen sich immer weiter abzubauen. So hatten wir bei einem Spaziergang sogar Gelegenheit, dass einige unserer Heimkinder mit rumänischen Kindern aus dem Dorf Fußball spielten oder wir bei einem aufkommenden Regenguss Zuflucht in einem nahe gelegen Bauerngut fanden. Erlebnisse, die wirklich Hoffnung machen, dass Dialog zwischen den verschiedenen Lebenswelten in Rumänien möglich ist und gefördert werden kann.

Judith Eisenzimmer