Wer baut uns die Leseleeze ?
Wer baut uns die Leseleeze ?
Mit vielen Ideen kamen wir im Herbst 2020 aus den beiden Workshops mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC).
Erfahrungen im zweijährigen Einsatz des bookbike NRW in Münster (https://jugendstil-nrw.de/portfolio/bookbike-nrw-2019/) und reichlich Probefahrten mit verschiedenen Lastenrädern und ‑anhängern hatten wir hinter uns.
Aber: Wer baut uns die Leseleeze?
Ein Tipp aus dem ADFC bringt uns auch in Kontakt mit Harry Stam, seines Zeichens Spezialradbauer mit viel Erfahrung.

In seiner Werkstatt nahe dem Rüschhaus in Gievenbeck treffen unsere Ideen, Kreativität und Konstruktionszeichnungen – ja, die können wir auch – auf Harrys Vorschläge, seinen realistisch-nüchternen Handwerkerblick, der doch immer eine Lösung sucht.
Bei unseren Treffen erwägen wir Lösungen, verwerfen sie, ringen um Platz, Gewicht und Funktionalität der Leeze, entwickeln über Wochen. Direkt am „Eisen“ ebenso wie am Computer. Harry schlägt immer wieder Möglichkeiten für die Umsetzung vor oder weist auf Grenzen hin. Oft hilft uns seine langjährige Erfahrung mit dem Bau von Imbissfahrrädern (http://www.imbisssysteme.de/) weiter.
Diese Mischung aus Tüftlergeist und nüchternem Blick für Machbares zeichnet ihn aus. Schon als Kind auf dem heimatlichen Bauernhof in Itterbeck an der niederländischen Grenze hat er konstruiert und das dann auch schon mal umgesetzt.
Und so baut er 10-jährig einen Rasenmäher.
Hier die Zutaten:
- eine alte Bohrmaschine (Antrieb)
- zwei Eisensägen (wegen des besonders harten Stahls als Schnittmesser)
- Platten für eine Kunststoffverkleidung
- 4 Räder
- Befestigungsmaterial
- 1 Paar Holzschuhe
Das entsprechende Werkzeug fand er auf dem Hof.
Kurze Zeit später ging der – fußgeschützte – Junge doch tatsächlich mähend über den Rasen. Es funktionierte!
Später hat Harry eine Ausbildung zum Landmaschinen-Schlosser gemacht und auch als Schweißer gearbeitet. Diese Arbeit ist ihm dann doch ein wenig langweilig geworden und nach einem Hausmeister-Job in Münster hat er 2004 dann für den Einsatz auf dem OSMO-Markt am Hafen ein erstes Marktstand-Rad konstruiert und gebaut. Das ist noch nicht so mobil gewesen wie die heutigen Modelle.
Seitdem ist eine ganze Lastenrad-Industrie entstanden und das hat Harry auch aufgenommen.
Viele Teile und den Rahmen bezieht er von großen Herstellern. Das ist preisgünstiger, als alles in Eigenarbeit zu konstruieren und zu bauen. Diese Zutaten werden dann aber noch reichlich angepasst, wo es notwendig ist. So wird etwa für die Leseleeze der Rahmen passend verlängert und die Breite ebenfalls optimiert.
Neben vielem anderen werden auch solche Kleinteile wie die Spannschrauben für das Dach ebenfalls in der Werkstatt von ihm geschweißt. Die am Markt in Masse produzierten Schrauben sind für diesen Zweck nicht so geeignet oder einfach zu teuer.
Überhaupt der Markt. Aktuell belasten Lieferschwierigkeiten und Angebotsverknappungen das Geschäft und die Arbeit.
So wird etwa der Grund-Rahmen der Leseleeze vom Hersteller nicht mehr angeboten. Harry müsste also, wollte er jetzt die Leseleeze bauen, ein komplettes Rad beziehen, um überhaupt noch an den Rahmen zu kommen. Das hat er kürzlich für einen Rad-Auftrag tatsächlich sogar gemacht, aber auf die Dauer sammelt man dann doch zu viel „halbe“ Räder an, um so damit umzugehen.
In diesem Jahr ist die Verfügbarkeit z.B. spezieller Bremsgriffe, Lampen und anderer Teile Corona-bedingt ja ohnehin stark eingebrochen, so dass Harry immer wieder zwischen Aufträgen und Realisierbarkeit jonglieren und nach Alternativen suchen muss.
Reich wird man in dem Geschäft nicht, wie er sagt. Die laufenden Kosten der Werkstattmiete, immer wieder veränderte Lieferbedingungen und auch schon mal unzuverlässige Kunden machen ihm das Leben als Solo-Selbständiger schwer. Er stemmt den ganzen Betrieb allein.
Dabei hat Harry seine Räder schon in verschiedene Länder Europas verkauft, sie fahren in einigen Städten. Aber inzwischen ist der internationale Verkauf auch steuerlich aufwändiger geworden, so dass Harry sich auf den deutschen Markt konzentriert.
Aktuell hat er seine alte Idee eines Parallel-Tandems wieder aufgenommen. Nach einem früheren von ihm gebauten, langen, eleganten Gefährt ist jetzt ein kompakteres Modell in Arbeit. Es kann schnell zerlegt und auch schon mal im Auto transportiert werden kann. Dafür baut er den Rahmen selbst. Und jetzt träumt er davon, noch einen passenden Wettterschutz mit Kunstoffdach ‑ evtl. mit Solarpaneele ‑ und Frontdeckung zu ergänzen.
Spannende Aussichten sind das!
Doch zurück zur Leseleeze. Harry baut sie uns so, dass viele Ideen unseres Konzepts dabei eingehen. Er teilt unser Ziel, mit dem Rad praktikabel zum Einsatz fahren zu können und vor Ort das Rad vielfältig und pfiffig zu nutzen.
Das Rad muss also ausreichend groß sein, um alles geordnet ‑ mehrere Ebenen im Laderaum ‑ dabei zu haben. Zugleich muss es aber so schlank sein, dass es noch durch eine Kita‑ oder Schultür passt. Wir wollen ja auch in solchen Einrichtungen arbeiten, ohne dass die Leeze draußen bleiben muss.
Wetterfeste Unterbringung der Ladung und die Fahrbarkeit dank Elektroantrieb auch bei mäßiger Erfahrung und Kondition sind selbstverständlich. Unsere Aktiven sind keine Sportstudierenden, sondern vielfach Menschen höheren Alters.
Vor Ort muss die Ausstattung auf verschiedenen Ebenen „Spielfläche“ bieten, weil viele verschieden große Kinder wie Erwachsene sich beteiligen. Also brauchen wir zu den Büchern und weiteren Medien, die wir mitbringen wollen, Decken und Kissen für den Boden, einen Tisch mit Hockern zum Aufstellen und zusätzlich aufklappbare Flächen am Rad, die als weitere Tischfläche oder ‑ schräg aufgeklappt ‑ als Präsentationsfläche dienen.
Für den Bau des aufklappbaren Aufsatzes stellt Harry den Kontakt zu einem nahebei arbeitenden Tischler her, der uns ebenfalls engagiert unterstützt.
Der Aufsatz wird auch aufwändig konstruiert mit cleveren Details wie passenden Grifföffnungen oder Halteleisten, um Flyer/Bücher in der Schräglage zu präsentieren.
Für das Aussehen und ‑ in Münster auch als Schutz gegen Wasser in der Luft ‑ möchten wir auch ein Dach auf dem parkenden Rad in die Höhe schieben können. Das sorgt mit seinem lustigen Design weithin sichtbar für Aufmerksamkeit.
Mit Harry und dem Tischler können wir all dies (und noch mehr...) umsetzen.
Harry ist schon eine eigene Marke. Selbständig, unabhängig, kompetent, dabei immer kooperativ und dafür zu haben, etwas Neues umzusetzen. Genau die richtige Mischung für unser Leezenprojekt.
Sollten wir mal einen Film drehen, muss Harry unbedingt dabei sein!