Eigentlich sollte ein neuer Anlauf erst im nächsten Jahr erfolgen, nun stimmt die Bezirksvertretung Münster Süd-Ost doch schon am 9. Dezember 2025 über die Umbenennung des Woermannwegs und des Lüderitzwegs ab. Die Verwaltung legte der BV eine entsprechende Beschlussvorlage vor. Darin heißt es schlicht: „Die Umbenennung des Lüderitzwegs und des Wormannwegs wird beschlossen.“ Das heißt, die Stadtverwaltung Münster empfiehlt den Vertreterinnen und Vertretern in Süd-Ost, die beiden Straßen umzubenennen. Die Gründe sieht vor allem in der Straßenbenennung zu propagandistischen Zwecken der nationalsozialistischen Zeit. Darüber hinaus seien die Namensgeber an „menschenverachtenden“ Taten beteiligt gewesen und verkörperten „Wertvorstellungen […], die […] dem Ansehen der Stadt Münster schaden“. Explizit Bezug genommen wird dabei auf einen Ratsbeschluss vom 14. Juni 2022, in dem es heißt: „Die Stadt Münster bekennt sich zur deutschen Verantwortung für koloniales Unrecht und den Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908.“ Eine Beibehaltung der beiden Straßennamen widerspreche diesem Beschluss.
Obwohl die Angelegenheit soweit klar scheint, ist die Umbenennung noch keine beschlossene Sache. Denn dies ist die Aufgabe der Bezirksvertretung. Seitens einiger politischer Vertreter und auch unter manchen Bürgerinnen und Bürgern, die sich zu diesem Thema äußerten, wurde die Idee einer Kommentierung der Straßennamen mittels Erläuterungstafeln oder QR-Codes als Alternative zu einer Umbenennung ins Spiel gebracht. Einige sprechen hier sogar von Straßennamen als „Lern- und Erinnerungsorten“, andere betrachten die Namen als Mahn- oder Denkmal, das die Erinnerung an koloniales Unrecht angeblich aufrechterhalten soll. Wie sinnvoll wäre eine solche „schlanke“ Lösung der Umbenennungsfrage? Etwas lernen könnte man nur, wenn man zufällig an einer Informationstafel vorbeiliefe und sich die Mühe machte, die historische Einordnung zu studieren. Menschen, die nur das Namensschild sehen, aber nicht die Tafel, die den Woermannweg auf Google Maps suchen oder einen Brief aus dem Lüderitzweg erhalten, verstehen die Straßennamen weiterhin als das, was sie sind – als Ehrungen.
Ebenso stellt sich die Frage, was ein solcher einordnender Kommentar auf einer Erläuterungstafel beinhalten soll. Nach dem aktuellen Kenntnisstand – siehe Beschlussvorlage der Verwaltung – kann es sich dabei eigentlich nur um kritische und für die jeweiligen Personen negative Beurteilungen handeln. Positive Aspekte, die dem gegenübergestellt werden könnten und eine ambivalente Haltung gegenüber den Namensgebern begründen würden, sind der Sachlage nach schwer zu finden. Man hätte dann Straßennamen, dessen Namensgeber dem Kommentar zufolge es eigentlich nicht verdienten, geehrt zu werden, und die man aber trotzdem – aus welchen Gründen auch immer – beibehalten möchte. Das wäre insbesondere für jene Anwohnende, die jetzt schon nicht gut mit den Straßennamen leben können, ein Hohn und käme einer Stigmatisierung dieser beiden Straßen gleich.
Wäre es daher nicht eine bessere Lösung, die Straßen umzubenennen und entsprechend zu dokumentieren, warum dies geschehen ist? Auch dafür könnte man Informationstafeln verwenden, man könnte auch das alte Straßenschild stehen lassen und durchstreichen – wie es in Münster und anderswo übrigens längst Praxis ist. Selbstverständlich können dieser ganze Prozess und die Geschichte der Straßennamen in Münster im Internet nachzulesen sein – auch das ist bereits der Fall.
Mit einer Nichtumbenennung und einer halbherzigen Kommentierung würde die Debatte um diese Straßennamen nicht zu Ende sein. Die Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus fängt gerade erst an. In den kommenden Jahren wird diese Epoche noch viel stärker ins Bewusstsein der deutschen Bevölkerung rücken. Durch diese kritische Beschäftigung mit dem Kolonialismus wird die Ehrung kolonialer Protagonisten durch Straßennamen gleichzeitig immer fragwürdiger werden. Neue, jüngere Anwohnende oder im Umkreis der Straßen Wohnende werden kommen und sich wundern, warum in Gremmendorf immer noch Vertreter des deutschen Kolonialismus geehrt werden. Es sei denn, die Mitglieder der Bezirksvertretung nutzen die Gelegenheit, beide Straßen jetzt umzubenennen.