Zum Hiroshimatag 2003

Redebeitrag von Werner Kuhn am 9. August 2003 zum Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vor dem Friedenssaal in Münster

Liebe Mitbürgerinnen, und liebe Mitbürger
Es gibt sicher Menschen, die sagen:
Was sollen eigentlich die Erinnerungen an Hiroshima und Nagasaki noch. Das ist doch alles längst Vergangenheit, das wird sich nicht wiederholen...

Leider ist das aber nicht so. Immer mehr werden Atomwaffen zu einem Mittel der internationalen Machtpolitik. Und die USA mit ihren Drohungen vom Ersteinsatz von Atomwaffen gehen dabei mit dem schlechtesten Beispiel voran. Um gerade mal 42 Atom?Sprengköpfe pro Jahr verringert sich, nach den Aussagen des stellvertretenden UNGeneralsekretärs für Abrüstungsfragen (Dhanapala im Mai dieses Jahres in Genf) die Zahl dieser Massenvernichtungsmittel.

In den Arsenalen der Atommächte lagern immer noch 40 000 Atomsprengsätze, die ausreichen, um unsere Welt mehrmals zu vernichten. Und sie lagern auch noch hier in Deutschland in Büchel und Rammstein auf den Militärbasen der USA.

Und immer mehr Länder, wie Indien, Pakistan, Nordkorea, um einige zu nennen, bauen oder streben nach Atomwaffen und drohen, genau wie die USA, auch mit ihrem Einsatz.

Darum kann erst dann, wenn sämtliche Atomwaffen zerstört und jeder Neubau verhindert wird, ein absichtlicher oder versehentlicher Atomkrieg ausgeschlossen werden.

Und dafür müssen wir uns alle viel mehr einsetzen.

Aber es gibt darüber hinaus weltweit noch 438 Atomkraftwerke, von denen jedes jederzeit zur Super-Atombombe werden kann. Und wir tun gut daran, den berufsmäßigen Gefahrenverharmlosern zu misstrauen, wenn sie uns Sicherheit durch neue Antiterrorgesetze oder Hochrüstung versprechen.

Friedenspolitik und Atomausstieg wurde uns 1998 von SPD und Grünen versprochen.

Und sogenannte "Restlaufzeiten" für Atomkraftwerke bis zur Schrottreife und Dauerkriegseinsätze sind der widerliche Konsens aller etablierten Parteien in Deutschland geworden.

Wie sehr wir belogen werden, möchte ich an zwei Beispielen deutlich machen.

Obwohl ja -angeblich- der Atomausstieg beschlossen ist, wird in Gronau (hier ganz in unserer Nähe) die Ausweitung, -wohl gemerkt die Ausweitung der Urananreicherung, die die Voraussetzung zur Atomspaltung und zum Bombenbau ist, genehmigt. Die Jahreskapazität von 1800 Tonnen, soll auf 4500 Tonnen, mehr als verdoppelt werden.

Das ist die Wirklichkeit des sogenannten Atomausstieges, die uns noch teuer zu stehen kommen wird.

Und ebenso verlogen ist die Diskussion über die Unbezahlbarkeit der Sozialsysteme und die sogenannte ROT/GRÜNE Friedenspolitik

In der gleichen Woche wo 19 Milliarden Euro Einsparungen (in parteiübergreifender Einigkeit) im Gesundheitssystem vereinbart wurden, sind (in gleicher Einigkeit) 18 Milliarden Ausgaben für die total überflüssigen Eurofighter beschlossen worden, nachdem im Frühjahr schon 8,3 Milliarden für die ebenso überflüssigen A 400 Militärtransporter bereit gestellt wurden. Damit soll wohl die, übrigens grundgesetzwidrige, Umrüstung der Bundeswehr zur Angriffsarmee -"auf Augenhöhe zu den USA" befördert werden.

(Zwar werden die o.g. Einsparungen bei den Krankenkassen stattfinden, aber man könnte mit den Eurofighterausgaben diese unterstützen, damit das Gesundheitssystem nicht kaputtgespart wird, Anm. d. Red)

Soll dieser militärpolitische Größenwahn so weitergehen?

Wir müssen uns deshalb immer und immer wieder an die Verlogenheit und Skrupellosigkeit aller Machthaber dieser Welt erinnern, wenn wir nicht auch deren Opfer werden wollen.

Denn diesen Machtbesessenen bedeuten Millionen Tote, ob durch Hunger, Krieg, Krankheit oder Radioaktivität nichts. Das sind für sie "Kollateralschäden".

Schon die ständige Freisetzung radioaktiver Strahlung und die Verdoppelung der Atommüllmenge (bis zum sogenannten Atomausstieg) sind schwere Umweltverbrechen, für die die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen.

Für den Nachweis, das schon kleinste Mengen Radioaktivität zu Erbschädigungen führen erhielt der US-Genetiker Prof. Muller 1946 noch den Nobelpreis.

Wie viele solcher Opfer mögen bei den Unmengen an freigesetzter Radioaktivität schon unter uns leben und leiden. Und die Beweise dafür, dass die sogenannte friedliche Atomspaltung "Krebs für Millionen" bedeutet, ist von Hiroshima bis Tschernobyl fast allen bekannt, auch wenn die meisten diese Gefahr zu verdrängen versuchen, statt sie zu beseitigen.

Ich denke es ist Zeit für ein "Schwarzbuch" in dem die Namen der Verantwortlichen für diese Entwicklung festgehalten werden. Denn irgendwann werden die Folgen der Atomspaltung nicht länger vertuscht werden können und dann wird keiner dafür gewesen sein wollen.

Wer heute noch, im Wissen über die Risiken, weiter für die Fortsetzung der Atomspaltung eintritt ist als Meinungsmacher für die Folgen verantwortlich. Auch für die wachsenden Atommüllberge.

Die noch von der Kohl-Regierung in Auftrag gegebene "Prognos-Studie" kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass ein mit Tschernobyl vergleichbarer Unfall in Deutschland (wegen der dichten Besiedelung) 10,4 Billionen DM Schaden anrichten würde. Dimensionen die jedem klar machen müssten, in welcher Gefahr wir ständig leben.

Nicht zuletzt auch, weil weltweite Interventionen, wie Kolonialpolitik heute umschrieben wird, auch weltweite Gegenreaktionen zur Folge haben werden.

Jeder dürfte deshalb schon aus Selbsterhaltungsgründen dieser Entwicklung nicht länger tatenlos zusehen. Und ich wundere mich immer wieder über den Fatalismus, mit dem so viele Menschen solche Bedrohungen hinnehmen.

Brauchen wir denn erst wieder eine Katastrophe, um zu lernen?

Wir hätten doch gemeinsam die Macht, diese Zustände zu ändern, und die Katastrophenpolitiker zur Wiedergutmachung heranzuziehen.

Krieg und Umweltzerstörung sind Schwerverbrechen, für die es keine Rechtfertigung gibt.

Die Opfer all dieser Verbrechen müssen in unserer Erinnerung bleiben, um im Widerstand gegen Gewalt und Zerstörung nicht zu erlahmen, sonst werden die gleichen Verbrechen noch einmal geschehen.

21.08.2003