Die folgenden Schilderungen mögen übertrieben erscheinen, aber leider sind
sie es nicht. Außenstehenden ist es oft gar nicht bewusst, in welchem Ausmaß
Passivrauchen das Leben beeinträchtigen kann. Um das zu verdeutlichen, sind die
Schilderungen aus dem Leben Betroffener etwas ausführlicher.
Wie sieht das Leben eines Betroffenen aus?
Embryonalzeit
Man sollte es nicht glauben, aber bereits hier fängt das Passivrauchen schon
an. Selbst wenn die Mutter Nichtraucherin ist, sich aber dem Passivrauchen
aussetzen muss, werden die Giftstoffe des Tabakrauchs über die Blutbahn an den
Embryo weitergeleitet. Die Entwicklung eines Kindes wird unter diesen Umständen
beeinträchtigt.
Kindheit
Wenn mindestens ein Elternteil raucht, ist das Kind oft krank. Es hat häufig
Kopfschmerzen, Husten und Übelkeit, in einigen Fällen auch
Gleichgewichtsstörungen. Sogar die körperliche Entwicklung kann gehemmt werden.
Durch die Symptome kann es manchmal nicht einmal zum Spielen hinausgehen oder
sich mit Freunden treffen. Auch in der Schule kann es sich nur schlecht
konzentrieren. Wenn die Eltern sogar im Auto rauchen, werden besonders längere
Fahrten für das Kind zur Qual.
Das alles kann zur Folge haben, dass das Kind wenig Kontakte mit
Gleichaltrigen hat und so wichtige soziale Fähigkeiten nur eingeschränkt
entwickeln kann. Des Weiteren werden durch krankheitsbedingte Fehlzeiten infolge
Passivrauchens die späteren Ausbildungsmöglichkeiten verschlechtert.
Ausbildung und Beruf
Die Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz kann schwierig werden.
Besonders im Gaststättengewerbe ist es fast unmöglich, einen rauchfreien
Ausbildungsplatz zu finden. Dieses Beispiel zeigt besonders drastisch, dass ein
Betroffener schlimmstenfalls einen anderen Beruf wählen muss, als er von seinen
Fähigkeiten und Neigungen her eigentlich wünschen würde. Um die Situation
nochmal deutlich zu veranschaulichen, folgt nun der konkrete Fall einer/eines
Betroffenen: Um dem Passivrauchen möglichst aus dem Weg zu gehen, hat ein
Betroffener einen Arbeitsplatz im Garten- und Landschaftsbau, also an der
frischen Luft, gewählt. Er hat
aber leider die Erfahrung machen müssen, dass kein Arbeitstag ohne Einatmen
größerer Mengen verrauchter Luft verging. Zwar waren die Einsatzorte rauchfrei,
aber die Fahrten dorthin erfolgten in dem von den Kollegen eingeräucherten
Dienstfahrzeug. Auch die morgendliche Einsatzbesprechung war nicht
rauchfrei, sondern fand im verräucherten Büro des Chefs statt. Hierauf angesprochen,
zeigte sich der Chef wenig kooperativ. Infolgedessen hatte der Betroffene jeden
Abend starke Kopfschmerzen und musste bald einen anderen Beruf wählen.
Eine Mitarbeiterin in einem Pflegeberuf erlebte Ähnliches. In Krankenhäusern
sind Flure und Gemeinschaftsräume oft verraucht. In Seniorenheimen rauchen viele
Pflegekräfte und Bewohner. Auch bei ambulanter Pflege wird das Personal häufig
dem Passivrauchen ausgesetzt.
Oft wird man nicht vom Ausbildungsbetrieb übernommen. Dann folgt die
langwierige Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz. Wie schwierig das ist,
einen wirklich rauchfreien Arbeitsplatz (und einen verständnisvollen
Arbeitgeber) zu finden, zeigt das Beispiel einer Betroffenen, die bei gleicher
Qualifikation fünfmal so viele Bewerbungen schreiben musste wie ihre
Kollegen.
Wer sich für ein Studium entscheidet, hat auch nicht unbedingt bessere
Karten: Es ist in der Regel vor Beginn des Studiums nicht ersichtlich, ob eine
Universität rauchfrei ist. Für Betroffene ist daher meist eine direkte Recherche
vor Ort notwendig. Besonders, wenn die gewünschten Studienorte weit vom
Heimatort entfernt liegen, ist die Recherche mit erheblichem Aufwand an Zeit und
Kosten verbunden. Zwar haben die Hausherren das Recht, in den
Universitätsgebäuden strikte Rauchverbote zu erlassen. Da sie aber die Gefahren
des Passivrauchens meist unterschätzen oder nicht kennen, muss ein Betroffener
oft einen langen und zermürbenden Kampf für rauchfreie Universitätsgebäude
ausfechten. Dadurch kann sich die Studienzeit unnötig um einige Semester
verlängern. Wenn es keine Universität gibt, die den gewünschten Studiengang
unter rauchfreien Bedingungen anbietet, kann dies angesichts von Studiengebühren
Betroffene vom Studium abhalten. Wahlweise können sie sich auch für einen
anderen als den bevorzugten Studiengang entscheiden, wenn die entsprechende
Universität rauchfrei ist.
Partnerschaft und Freizeit
Dass für einen Betroffenen ein Drittel der Menschheit (Summe der Rauchenden)
als Partner nicht in Frage kommt, ist noch das geringste Problem. Für den ersten
persönlichen Kontakt zu einer neuen Bekanntschaft benötigt man meist einen
neutralen Ort. Diese neutralen Orte wie Bars, Konzertsäle und Kino(foyer)s sind
aber üblicherweise stark verraucht. So fehlen insbesondere abends geeignete
Treffpunkte. Hat man dann trotzdem jemanden näher kennengelernt, ist es
zweifelhaft, ob die Partnerschaft lange hält. Nicht betroffene mögliche Partner
können in der Regel nicht nachvollziehen, dass man durch die Notwendigkeit,
Passivrauchen zu meiden, in der Freizeitgestaltung stark eingeschränkt ist.
Hinzu kommt noch, dass es dem potentiellen Partner peinlich sein kann, dass man
als Betroffener häufig fremde Leute um rauchfreie Luft bittet. Die Meisten
suchen nach einiger Zeit das Weite und unkompliziertere Partner. Besonders
Letzteres gilt auch für losere Freundschaften. Als Betroffener sind außerdem die
Möglichkeiten stark eingeschränkt, spontan neue Leute kennenzulernen.
Discos, Bars, Cafés, Museen mit angegliederten Cafés (Stadtmuseum Münster),
Sportstätten und Clubräume (z.B. beim BSV Roxel), Stammtische, allgemeine
Veranstaltungen, große Konzerte und öffentliche Partys sind immer verraucht.
Wohnen
Man sollte meinen, es sei einfach, die eigene Wohnung rauchfrei zu halten.
In einem frei stehenden Eigenheim ist es auch so. In Mehrfamilienhäusern oder
Mietshäusern sieht die Lage allerdings anders aus. Hier zieht der Tabakrauch aus
dem Fenster einer Nachbarwohnung, durch die Lüftung oder das Treppenhaus oft in
die eigene Wohnung. Da Raucher leider oft intolerant sind, steht den Betroffenen
ein langer, aufreibender und meist noch dazu vergeblicher Streit mit den
rauchenden Nachbarn bevor, wenn sie an der Situation etwas ändern müssen.
Wahlweise können die Betroffenen sich auch hermetisch von der Außenwelt
abriegeln. Wünschenswert wäre hier die Einrichtung rauchfreier Mietshäuser, wie
es sie in den USA bereits gibt.
Verkehrsmittel und Bahnhöfe
Selbst wenn das Fahrtziel rauchfrei ist, muss man erst einmal ohne
Passivrauchen ankommen. In den Bussen besteht eigentlich die Regelung, dass
nicht geraucht werden darf. Gelegentlich rauchen allerdings die Busfahrer in
ihren Pausen trotzdem in den Fahrzeugen. Der Rauch zieht in diesen Fällen durch
den ganzen Bus, so dass Betroffene ihn nicht nutzen können. Von den
Bushaltestellen ganz zu schweigen: Die vielen herumliegenden Zigarettenkippen
sprechen Bände. Besonders wenn viele Leute warten, weiß man als Betroffener gar
nicht mehr, wo man sich noch hinstellen kann, ohne eingenebelt zu werden. Auch
in so genannten Nichtrauchertaxis kann man nicht sicher sein, wirklich ein
rauchfreies Taxi zu bekommen. Denn selbst in diesen rauchen die Fahrer
meistens, wenn sie gerade keine Fahrgäste befördern.
Wer als Betroffener umweltfreundlich mit der Bahn fahren möchte/muss, hat
ganz schlechte Karten. Es fängt schon auf den Bahnhöfen an: Es gibt zwar
offiziell Nichtraucherbereiche in den Bahnhöfen, aber sie sind einerseits nicht
räumlich von den Raucherzonen getrennt, und außerdem halten sich einige Raucher
nicht einmal an die geltenden Raucherzonen. Da Verstöße nicht geahndet werden
(auch in den Zügen), sind diese Regelungen oft wirkungslos. In den Zügen ist es
noch schlimmer. Zunächst einmal ist zwischen Großraumwagen und Zügen mit
Abteilen zu unterscheiden. In den Großraumwagen gibt es keine räumlich
abgetrennten Nichtrauchenbereiche. Die Klimaanlage verteilt noch dazu den Rauch
gleichmäßig durch den ganzen Waggon. Damit sind diese für Betroffene nicht
zugänglich. Auch in den so genannten Nichtrauchenabteilen ist man dem
Passivrauchen schutzlos ausgesetzt. Die Türen zwischen den Abteilen ermöglichen
durch ihre großen Spalten den ungehinderten Durchzug des Tabakrauchs durch den
gesamten Waggon. Oft muss man erst durch einen Rauchenbereich, um zum
Nichtrauchenbereich zu gelangen. Mitglieder unserer Selbsthilfegruppe haben
darüber hinaus des Öfteren erlebt, dass Zugpersonal rauchend durch
Nichtrauchenbereiche ging. Darauf hingewiesen, dass manche Leute auf rauchfreie
Luft angewiesen sind, reagierten die Mitarbeiter verständnislos und geradezu
feindselig (Man mag es kaum glauben.). So vergrault das Unternehmen Bahn seine
Kunden.
In Flugzeugen kann man heute davon ausgehen, dass sie rauchfrei sind. In den
Flughäfen besteht aber weiterhin noch Handlungsbedarf. Denn die
Flughafengastronomie ist räumlich nicht von den Terminals und Gates getrennt.
Daher zieht Tabakrauch durch das ganze Flughafengebäude.
Urlaub
Als Betroffener hat man erfreulicherweise auch in Europa mittlerweile einige
Urlaubsländer mit wirkungsvollen Gesetzen zum Schutz vor dem Passivrauchen zur
Auswahl, z.B. Irland und Italien. Deutschland gehört leider noch nicht dazu.
Hierzulande gibt es nur sehr wenige wirklich vollständig rauchfreie Hotels und
Gaststätten. Das bedeutet, dass Betroffene lange Wege und oft auch höhere Kosten
in Kauf nehmen müssen. Vor Buchung einer Reise müssen sie viel Zeit in
Recherchen investieren, weil es keine oder keine zuverlässigen Angaben zur
Rauchfreiheit der gewünschten Unterkunft gibt. (siehe Punkt Verkehr/Hinweg)
Sonstige Lebensbereiche
Normalerweise ist man in Kaufhäusern, Bekleidungs- und
Lebensmittelgeschäften vor Tabakrauch geschützt. In Münster wurden im Jahr 2006
die so genannten Arkaden im derzeitigen Trend moderner Stadtgestaltung eröffnet.
An sich eine schöne Einkaufs- und Bummelmöglichkeit. Den Menschen, die
Passivrauchen meiden müssen, wird der Eintritt in die Arkaden aber verwehrt. Die
Verantwortlichen für die Arkaden haben mittendrin ein Café und ein Bistro
eingerichtet, in denen das Rauchen leider erlaubt ist. Der Rauch zieht von dort
durch den gesamten Gebäudekomplex.
Gastronomie: Bis auf sehr seltene Oasen befinden sich Betroffene hier auf
verlorenem Posten. Die Situation hat sich in Münster zwar geringfügig gebessert,
aber von einer freien Auswahl kann zur Zeit keine Rede sein. Selbst auf die
Angaben in Gastronomieführern ist nicht immer Verlass. Rauchfreie Tische oder
Zonen sind bekanntlicherweise wirkungslos, da der Rauch sich gleichmäßig über
den gesamten Raum verteilt, selbst wenn Abzugsanlagen vorhanden sind. Auf alle
Fälle muss daher jedes Mal bei einem unbekannten Restaurant nachgefragt werden,
ob es wirklich rauchfrei ist.
Wer schön sein will, muss leiden. Das gilt besonders für die Betroffenen:
Bei Friseurbesuchen rauchen nicht selten Bedienstete und auch andere Kunden.
Betroffene haben daher nur die Wahl zwischen weiten Wegen (im Extremfall bis in
die Niederlande) und Hausbesuchen (wenn man eine Friseuse findet, die
Nichtraucherin ist und Hausbesuche macht).
Copyshops: Nach unseren Erfahrungen sind viele Copyshops nicht rauchfrei.
Auch hier sind Recherchen und weite Wege gefragt.
Banken (z.B.Volksbank): Es kommt vor, dass Kunden mit brennender Zigarette
in den Vorraum der Banken gehen, um am Automaten Geld abzuheben oder
Kontoauszüge zu drucken. Diese Kunden entsorgen Asche und Zigarettenkippen in
die eigentlich für andere Zwecke aufgestellten Müllbehälter. Der Tabakgeruch
verbleibt daher lange Zeit in den Vorräumen hängen und zieht auch in den
angrenzenden Schalterraum. Als Folge können Menschen mit Atemwegsbehinderungen
auch ihre geschäftlichen Transaktionen nicht ohne verläßlich durchführen, da sie
immer mit verrauchten und daher für sie unzugänglichen Bankvorräumen rechnen
müssen.