Post aus der Walachei
Do
you speak rumänisch? (von Bettina und Stephan Rost)
Des Öfteren werden wir gefragt,
wie wir uns denn in Rumänien verständigen. Gerade dann,
wenn wir davon erzählen, dass eine Kinderfreizeit mit
rumänischen (!) Heimkindern wieder kurz bevorsteht, kann man
schon mal die Frage hören: „Sprechen die Kinder denn deutsch?“
Oder: „Kommt man in Rumänien mit Englisch weiter?“ Um es
gleich vorwegzunehmen: Für unsere vielfältige Arbeit mit
Menschen im Land selbst, zumal auf Dörfern, in Kinderheimen,
Großfamilien, aber auch auf Behörden, am Zoll usw., ist es
unerlässlich, dass zumindest einige von uns der rumänischen
Sprache mächtig sind. Denn weder sprechen unsere Kinder deutsch
noch haben wir mit unseren Englischkenntnissen durchschlagenden
Erfolg. Ähnlich wie bei uns sind die Nachwirkungen eines
dürftigen Sprachunterrichts aus kommunistischen Zeiten noch
allerorten spürbar, wenn auch heute großer Wert auf guten
Fremdsprachenunterricht gelegt wird. Und obwohl vor dem Zweiten
Weltkrieg etwa 800.000 Deutsche in Rumänien lebten (Siebenbürger
Sachsen, Banater Schwaben und Zipzer), sind es heute nur
noch 60.000 (weniger als 0,3 % der Gesamtbevölkerung). So ist
selbst in Siebenbürgen, dem historischen deutschen Siedlungsraum
in Rumänien – unserem Einsatzgebiet – Deutsch schon lange
nicht mehr die Muttersprache der Mehrheit der Bevölkerung. In
den meisten ehemals „sächsischen“ Dörfern leben nur
noch einzelne Deutsche. Andererseits gibt es nach wie vor Deutsche
Schulen (mit deutscher Unterrichtssprache), die inzwischen
hauptsächlich von rumänischen Kindern besucht werden. Mit
anderen Worten: Es ist nicht verkehrt, sich mit der rumänischen
Sprache auseinander zu setzen.
Ein weit verbreiteter Trugschluss
besteht in der Annahme, Rumänisch gehöre zu den slawischen
Sprachen, wie sie in den meisten angrenzenden Ländern –
Bulgarien, Serbien und Montenegro, Ukraine und Moldawien –
gesprochen werden. Auch manche von uns dachten anfangs, die
verstaubten Russischkenntnisse könnten beim Erlernen der
rumänischen Sprache von Nutzen sein. Umso überraschender
ist es, dass das Rumänische vom Klang her dem Italienischen am
nächsten kommt. Das hängt damit zusammen, dass der weitaus
größte und wichtigste Teil des rumänischen Vokabulars
sowie die grammatische Struktur direkt dem Lateinischen entstammen.
Das lässt sich leicht erkennen an Worten, wie: bun „gut“;
mult „viel“; pace „Frieden“; frate
„Bruder“; dulce „süß“ oder concediu
prenatal „Schwangerschaftsurlaub“. Geringe Einflüsse
kommen aus dem Ungarischen, Deutschen, Bulgarischen,
Serbo-Kroatischen, Russischen, Griechischen und Türkischen. Zu
den wenigen slawischen Wörtern im rumänischen
Grundwortschatz gehören u.a. nevasta „Ehefrau“;
dragoste „Liebe“; bolnav „krank“; a citi
„lesen“. Tatsache ist: Die rumänische Sprache ist nicht
weniger romanisch als das Italienische, Französische, Spanische
oder andere neulateinische Sprachen.
Was uns betrifft, so haben wir alle
unsere ersten Erfahrungen mit der Sprache in Rumänien selbst
gemacht. Wer beispielsweise, ohne ein Wort rumänisch zu
sprechen, das erste Mal bei einem Ferienlager mithalf, hat zumeist
die schöne Erfahrung gemacht, dennoch an allen Aktivitäten
mit den Kindern rege teilnehmen und sich auf die eine oder andere
Weise mit ihnen verständigen zu können. Andererseits
verspürte man zunehmend das Bedürfnis, zu verstehen, was
die Kinder einem erzählen wollen. Es kommt ja nicht nur darauf
an, Informationen auszutauschen und auf Anfragen wie diese zu
reagieren: Cum te cheama? („Wie heißt du?“). Häufig
geht es auch darum, auf die Kinder einzugehen, wenn sie über
ihre Familie oder vielleicht ihre Schwierigkeiten in der Schule reden
möchten. Ebenso müssen bei Brettspielen Regeln erklärt
und durchgesetzt werden können. Nicht zuletzt ist sprachliche
Kompetenz in den Situationen wichtig, in denen Autorität gezeigt
und Grenzen gesetzt werden müssen („Werft den Ball nicht in
den Brunnen! ...“).
Waren unsere ersten Rumänischlehrer
die Kinder, so bemühten wir uns – nach Deutschland
zurückgekehrt –, die Sprache von Grund auf zu lernen. Den
Klang der Sprache noch im Ohr, bestimmte Personen vor Augen und
unvergessliche Erlebnisse in Erinnerung, versuchte jeder auf seine
Weise und hoch motiviert, dieses Vorhaben anzugehen: Da wurden
Lehrbücher zum Selbststudium ausgetauscht, am jährlich
stattfindenden Jenaer „Ferienintensivkurs“ für „Rumänische
Sprache, Literatur und Kultur“ teilgenommen, diverse Sprach- und
Konversationskurse an den Unis in Leipzig, Jena, Münster und
Heidelberg belegt oder ein Grundkurs „Rumänisch“ an der
Volkshochschule Dresden besucht.
Alle die, die z.B. einmal in Leipzig
studiert haben, hatten die gute Möglichkeit, sich am Institut
für Romanistik in verschiedene sprachpraktische Kurse
einschreiben zu können. Ein positiver Nebeneffekt bestand darin,
dass sich hier neue Kontakte zu anderen „Rumänischschülern“
auftaten, von denen manche heute zum festen Kern unseres Vereins
gehören. Im Übrigen hatten wir, die wir Rumänisch
vorwiegend in Kinderferienlagern gelernt haben, uns bestimmte
alltagssprachliche Wendungen so sehr angewöhnt, dass uns unsere
Lehrerin immer wieder auf das niveauvollere Hochrumänisch
verweisen musste. Doch nicht nur wurden unsere Sprachfertigkeiten
durch diesen Unterricht erweitert, sondern auch das Allgemeinwissen
über rumänische Literatur, Kultur und Geschichte
bereichert.
Inzwischen haben einige von uns bereits
Zeugnisse von Sprachprüfungen in der Tasche, die vielleicht
einmal nützlich sein könnten. Fließend zu sprechen,
lernt man aber erst im Land selbst. Dazu trugen längere
Auslandsaufenthalte bei, u.a. Praktika, Studienaufenthalte, ein
Austauschschuljahr in einer rumänischen Gastfamilie oder der
Zivildienst im Ausland.
Man sieht also: Ob im Taxi, im
Dorfladen, in der Wechselstube, auf dem Markt oder am Zoll – uns
kann man nicht so leicht über den Tisch ziehen, oder wie man auf
Rumänisch sagt: Pe noi nu ne vinde nimeni („uns
verkauft niemand“).