Vertrautes und Neues vom Patenschaftsprojekt (von Andreas Thom)

Nach den Veränderungen des Jahres 2004 haben das Jahr 2005 und der Anfang des Jahres 2006 wieder Ruhe und Kontinuität in die Arbeit des Patenschaftsprojektes gebracht. Unsere Sozialarbeiterin Tina Bing, die seit Sommer 2004 für das Projekt tätig ist, schafft es mit viel Sachverstand und Einfühlungsvermögen, die Patenfamilien in Rumänien zu betreuen. Gemeinsam mit ihrer zweijährigen Tochter besucht sie jeden Monat die Familien und berät sie zur Verwendung der finanziellen Unterstützung, sowie zu vielen Fragen des täglichen Lebens, von der Kindererziehung über die Familienplanung bis zum Gartenbau. Es gelingt uns im Moment, elf Familien mit insgesamt 320 Euro monatlich zu helfen. Das Geld wird von Familien aus Deutschland bereitgestellt, denen wir auch an dieser Stelle einmal ganz herzlich danken wollen. Vielfach ist dieser Dank schon durch den direkten Kontakt zwischen den rumänischen und den deutschen Familien, durch ein paar Zeilen und Bilder, die ausgetauscht wurden, ausgedrückt worden. Manchmal ist dieser Kontakt aber auch nicht möglich gewesen, dann haben wir versucht, Informationen über die Familien und deren Situation weiterzuleiten.

Das zentrale Ziel des Patenschaftsprojektes, eine Hilfe zur Selbsthilfe zu sein, ist weiterhin das Credo unserer Arbeit. Sehr oft ist es jedoch notwendig, zuerst einmal ganz grundlegende Dinge bereitzustellen. Daher ist es immer noch so, dass mehr als die Hälfte der monatlichen Hilfen für den Kauf von Lebensmitteln verwendet werden. Der Grund ist einfach: ohne etwas zu Essen im Bauch, lässt sich an weitergehende Vorhaben natürlich nicht denken. Ebenso sind Medikamente oft unerschwinglich teuer und werden erst durch unsere Unterstützung bezahlbar.

Neben den monatlichen Spenden durch die Familien aus Deutschland haben wir auch durch Spendengelder des Vereins bestimmte Vorhaben einzelner Familien verwirklichen können. Wir haben es mit gezielter Unterstützung zum Beispiel geschafft, bei einigen Familien die miserablen Wohnverhältnisse zu verbessern. Vielfach handelt es sich bei dieser Verbesserung nur um den Sprung von der einfachen lehmverputzten Bretterhütte zu einem kleinen Holzhaus mit festem Dach. Meist ist nicht daran zu denken, ein extra Zimmer einzurichten, es bleibt somit bei einem oder zwei kleinen Zimmern, in denen zum Teil sechs bis acht Menschen leben. Drei Familien haben seit kurzem Strom und sind nun nicht mehr auf Petroleumlampe und Kerze angewiesen. Immer war es die Eigeninitiative der Menschen in Rumänien, die am Anfang solcher Projekte stand und durch unsere Unterstützung nur befördert wurde. Unsere Maßstäbe darf man bei der Einschätzung der Hilfe nicht anlegen, es sind vielmehr die Maßstäbe der Menschen vor Ort, die relevant sind. Für manche unserer Patenfamilien ist es ein großer Fortschritt, wenn das Dach dicht ist, die Wände gerade sind und etwas zu Essen auf dem Tisch steht.

Ein weiteres Ziel unserer Arbeit ist es, zu erreichen, dass die Kinder der Familien in die Schule gehen. Das ist nicht immer einfach und manchmal unmöglich. Wer keine entsprechenden Schuhe hat, kann im Winter nicht in die Schule gehen. Ebenso ist das Sammeln von Holz für den Ofen wichtiger als der tägliche Schulbesuch. Die Probleme sind aus hiesiger Sicht nicht vorstellbar und auch nicht so schnell zu lösen. Meist ist den Eltern die Notwendigkeit eines geregelten Schulbesuchs nicht klar, sie sind selbst nur für wenige Jahre in die Schule gegangen. Einen Versuch unsererseits ist es trotzdem wert. Glücklicherweise hat uns die Gemeinde aus Zethau im Dezember mit einer größeren Spende in die Lage versetzt, gemeinsam mit den Familien Wintersachen zu kaufen, die dringend benötigt wurden. Ebenso wurden einige Rechnungen für Holz und Heizmittel, die sich bei aller Sparsamkeit aufgetürmt hatten, beglichen.

Bei vielen Familien handelt es sich um Roma, und die Probleme, mit denen die Familien zu kämpfen haben, sind althergebracht. Ein Blick ins Geschichtsbuch zeigt, dass die Familien seit Generationen in ähnlich schlechten Umständen leben. Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass viele Roma bis ins 19. Jahrhundert noch Leibeigene in Rumänien waren und somit keinerlei Rechte genossen, weder auf Bildung noch auf Eigentum. Aus dieser Situation heraus ist es nachvollziehbar, dass sich Werte wie z.B. Bildung nur langsam und unter Mühen etablieren. Dies ist aus zwei Gründen so: Zum einen sind die Roma traditionell in der Rolle der Unehrlichen, Ungebildeten und Unverlässlichen, und die Rumänen begegnen ihnen immer wieder mit diesen Vorurteilen. Das erschwert natürlich die Aneignung und Pflege dieser Werte. Zur Verdeutlichung nur ein Beispiel: In vielen Dörfern Rumäniens gibt es in der Schule eigene Klassen für Roma-Kinder, auch wenn das der Bildungsstand und die Aufnahmefähigkeit in keiner Weise rechtfertigt. Zum anderen werden Werte bei einem Menschen in der Regel im Elternhaus geprägt. Es ist also wichtig, dass auch Mutter und Vater sich der Werte schon bewusst waren. Sich die Werte selbst anzueignen oder sie unter den angesprochenen Umständen zu pflegen, erfordert eine hohe Motivation und Durchsetzungskraft. Das Ziel unserer Arbeit ist es nun gerade, die Menschen mit der nötigen Motivation auszustatten und somit die Willenskraft zu stärken, ein besseres Leben zu führen. Dies kann dann auch auf vielfältige Weise geschehen: Eine Frau braucht eine Nähmaschine, um durch ihre Arbeit ihre Kinder zu ernähren. Ein anderer Mann braucht eine Kuh, um durch seine Arbeit Milch und Fleisch zu erzeugen, welches er auf dem Markt verkaufen kann.

Unsere Arbeit hat uns gelehrt, dass der Umgang mit den Patenfamilien nicht einfach ist. Wir wollen nicht auf sie herabblicken, wir können aber auch nicht den Unterschied überbrücken, dass wir aus Deutschland kommen und Geld haben, und sie in Rumänien in Armut leben. Wir wollen sie nicht bevormunden, wir können sie aber auch nicht immer gewähren lassen, da wir uns und den Spendern gegenüber Rechenschaft ablegen müssen. Wir bewundern ihren Willen, sich aus der miserablen Situation, in der sie leben, zu erheben, und wir sind manchmal über ein gebrochenes Wort enttäuscht. Unsere Arbeit kann immer nur die Unterstützung einer Eigeninitiative der Menschen vor Ort sein, trotzdem sind unsere Erwartungen meist zu groß, und gerne projizieren wir unsere Wünsche und Hoffnungen hinein in die Menschen, denen wir helfen wollen. Die Arbeit mit den Patenfamilien ist durch all diese Gegensätze in vielerlei Hinsicht eine Gratwanderung und daher mit Mühen und schwierigen Entscheidungen verbunden. Nichtsdestotrotz sind wir sicher, dass die Arbeit sinnvoll ist und es sich dabei eigentlich um den einzigen Weg handelt, zu helfen und gerecht zu sein.

Ein besonderer und ausdrücklicher Dank soll hier an Tina Bing ausgesprochen sein. Ihr Einsatz macht das Patenschaftsprojekt möglich, sie hat viele der angesprochenen Gegensätze täglich vor Augen und meistert sie mit dem ihr eigenen Selbstvertrauen und ihrer freundlichen Offenheit, durch die es gelingt, Brücken zu schlagen und letztlich: zu helfen.

Falls Sie Interesse an weiteren Informationen über das Patenschaftsprojekt oder an einer Patenschaft haben, können Sie sich sehr gerne an uns wenden, am besten per E-Mail an Andreas Thom, abthom@gmx.de oder an Bettina Rost, beti_rost@web.de