Alles immer gleich und auch immer wieder neu - Besuch bei den Patenfamilien


pat-1Bei sengender Sonne und auf staubigen Wegen in Ighișu Nou/Eibesdorf nähern wir uns den bekannten Hütten. Vor fünfzehn Jahren, als wir diesen Teil des Dorfes das erste Mal in Augenschein nahmen, war es noch Entsetzen, welches uns bei dem Anblick dieser Behausungen erfasst hat. Inzwischen haben wir uns anscheinend an das ärmliche Bild gewöhnt und sind auch ein bisschen gespannt, mit welchen Geschichten und Eindrücken wir dieses Mal heimkehren.

Am Beispiel der Familie Kalanyosi kann man vielleicht verstehen, was mit Hilfe einer Familienpatenschaft möglich ist. Unser erster Kontakt mit der Familie entstand durch den neugierigen Blick eines etwa fünfjährigen Kindes, welches in den alten verschneiten Pfarrhof spähte, während wir gerade mit etwa zwanzig Kindern aus dem Kinderheim Agârbiciu ein Ferienlager in Ighișu Nou durchführten. Wir kamen mit dem kleinen Jungen aus der Nachbarschaft ins Gespräch – wie es ihm gehe, wie viele Geschwister er hätte uns so weiter. Kurze Zeit später hat er uns zu seiner Familie geführt und dann haben wir in Rumäniens eisigem Winter die Familie Kalanyosi kennen gelernt. Die Eltern saßen mit ihren fünf Kindern in einer verfallenen, aus einem einzigen Raum bestehenden Hütte, die wirklich kaum Platz für die Menschen bot, die augenscheinlich alle gemeinsam dort lebten. Wir haben der Familie damals viele Lebensmittel geschenkt und versucht, den Kontakt und die Hilfe während der vielen und regelmäßigen Besuchen in Ighișu Nou aufrecht zu erhalten.

Damals entstand die Idee von Familienpatenschaften, die wie ein Band zwischen Familien in Deutschland und bedürftigen Familien in Rumänien sein sollten. Inzwischen besteht die Patenschaft zwischen einer Frau aus Deutschland und Familie Kalanyosi seit acht Jahren und ein gewisser Erfolg ist sichtbar. Die Hoffnung auf Besserung und die Gewissheit, dass anderen Menschen das eigene Schicksal nicht egal ist, hat die Kalayosis aufleben lassen. Die bescheidene Hilfe war für die Menschen ein Licht in der Finsternis, an dem sie sich in ihrer Not manchmal wärmen konnten. An verschiedenen Stellen hat auch die Initiative Rumänien den Kalanyosis finanziell unter die Arme gegriffen, immer war es aber Hilfe zur Selbsthilfe und ein Schritt zu mehr Autonomie und Selbständigkeit. Heute besitzt Familie Kalanyosi das Land auf dem die Hütte stand und anstelle der Hütte steht heute dort ein bescheidenes Haus mit fünf kleinen Zimmern. Es ist nicht mehr als eine irgendwie überdachte Ansammlung von Lehmmauern, birgt aber mehr Platz und so etwas wie Gemütlichkeit für die Familie. Auf dem Hof tummelt sich allerhand Kleinvieh, der Gemüsegarten zeigt Tomaten und Auberginen. Herr Kalanyosi hat inzwischen im Dorf Arbeit gefunden und die Familie hat so ein geringes, aber regelmäßiges Einkommen. Die Kinder sind zum Teil schon erwachsen, manche noch Teenager; der größte Sohn hat eine eigene kleine Familie und wohnt mit auf dem Hof. Auch die Familie des Sohnes wird seit etwa einem Jahr durch eine deutsche Patenfamilie unterstützt. Werden die Kinder und Enkel von Familie Kalanyosi ein anderes Leben führen? Wir wissen es nicht; wir können es nur hoffen. Zumindest ist unter den jetzigen Bedingungen ein regelmäßiger Schulbesuch möglich und es ist eine Jugend denkbar, in der man nach Möglichkeiten der Verwirklichung sucht. Eine der Töchter der Familie Kalanyosi möchte zum Beispiel Schauspielerin werden. Sie hat Talent dazu, braucht aber für die Ausbildung natürlich den Schulabschluss, auf den sie sich gerade vorbereitet – wir verfolgen ihren Weg mit Interesse.

Nicht jede Geschichte ist eine Erfolgsge­schichte wie diese. Manchmal gibt es Rückschläge, manch­mal wird Vertrauen enttäuscht und manchmal verzweifeln wir an den wiederhol­ten Schicksalsschlä­gen, mit denen die Familien kämpfen müssen. Im Moment betreuen wir zwölf Familienpatenschaften, die sich über die Jahre oft von einer monatlichen Geld­spende zu einem regen Austausch mit Besuchen in Rumänien und einem regel­mäßigen Kontakt entwickelt haben. Wichtig ist für die Patenfamilien in Rumänien allerdings nicht nur das Geld und der Kontakt, sondern auch, dass sich Edith Toth – unsere Sozialarbeiterin vor Ort – auch immer wieder die Zeit nimmt, die Probleme der Menschen zu verstehen und ihnen mit allerhand Tipps und viel Wissen um den richtigen Umgang mit den Behörden weiterzuhelfen.

Ohne die finanziellen Mittel der Spender in Deutschland und den persönlichen und aufopferungsvollen Einsatz von Edith Toth wäre das Projekt nicht denkbar.

pat-2 Im Moment suchen wir nach weiteren interessierten Familien in Deutschland. Es besteht die Absicht und Hoffnung, das Patenschaftsprojekt mit einem weiteren Projektpartner in Rumänien in einem kleinen Rahmen auszubauen. Diesmal konzentriert sich die Hilfe nicht auf die siebenbürgische Region um Mediaș, sondern auf das Städtchen Vișeu de Sus in der Maramureș. Konkret suchen wir zum Beispiel für die Familie von Irina und Gheorghe eine Partnerfamilie in Deutschland, die bereit ist, monatlich einen geringen Betrag zu spenden. Die junge Familie lebt in ärmlichen Verhältnissen, versucht aber ihr Mögliches, um ein besseres Leben zu führen. Irina und Gheorge, die ein Kind erwarten, sind Protagonisten in dem Film „Die dritte Violine“, dem dritten Teil der erfolgreichen „Ruthenischen Trilogie“, die der Filmemacher Björn Reinhardt gedreht hat. Der Kontakt zu der Familie wird dann über Florentina und Björn Reinhardt hergestellt, welche beide in Vișeu de Sus leben und die Familie schon seit längerer Zeit gut kennen.

Bei Interesse an einer Familienpatenschaft oder bei Wunsch nach mehr Informationen zu dem Familienpatenschaftsprojekt wenden Sie sich bitte an Andreas Thom, Kaitzer Str. 76, 01187 Dresden, oder per eMail: andreas.berthold.thom@gmail.com.

Andreas Thom