Unterwegs zu den Patenfamilien


FamilieFodorEdith erwartete uns am Mittwoch. Wir brachen früh auf, fuhren ein Stück mit dem Bus, um das letzte Stück nach Mediaş trampend zurückzulegen: Zwei Männer mit schwerem Gepäck wurden von einer netten, hübschen Rumänin mitgenommen, die in Kanada lebt und zu einem ¼-jährigen Besuch in ihrem Heimatland weilte.

Wir hatten uns mit Edith in der Innenstadt, gleich neben ihrem Haus verabredet. Nach herzlicher Begrüßung und einem kleinen Imbiss besuchten wir gleich noch die ersten sechs Familien bzw. Personen, um ihnen die Unterstützungen ihrer deutschen Patenfamilien zu übergeben:

- Ileana Negrea
- Gheorghina Horvath
- Gigi Rapa und Angea Chirila mit 6 Kindern
- Angela Baluţa mit 4 Kindern
- Tibi und Mariore Kalanyiosi mit 8 Kindern
- Gerhard Klein

Am Abend hatten wir noch lange Gespräche über Rumänien und die Situation der besuchten Familien. Insbesondere für meinen Sohn Torsten waren diese Unterhaltun­gen sehr wichtig und nützlich – er arbeitet in Berlin als Sozialarbeiter. Auch Edith war dankbar dafür, dass sie ihre Besuche einmal auf diese Art auswerten konnte.

WildkirschenernteFamilie Kalanyiosi lud uns ein, am nächsten Tag eine kleine Wanderung mit ihnen zu unternehmen und gemeinsam Wildkirschen zu pflücken. Also wandern wir durch Ighişu Nou, steigen den Hügel hinauf und beginnen gleich mit der „Ernte“. Die Mann(Frau)schaft von 10 Leuten füllt die mitgebrachten Gefäße, zwei Eimer, sehr schnell. Nach gemeinsamem Picknick steigen wir wieder ins Dorf und müssen uns von Familie Kalanyiosi gefallen lassen, die Kirschen mitzunehmen – Widerstand zwecklos! Nur einen kleinen Teil wollen sie für sich behalten. Diese Menschen, die oft selbst nicht genug zu essen haben und unter schlechten Bedin­gungen leben, beschenkten uns! Ich glaube für sie war es eine Genugtuung, ein Bedürf­nis, uns etwas zurückzugeben für die Unterstützung, die wir ihnen zu Teil werden lassen. Sie taten es mit Stolz, Freude und offenem Herzen. Danke! Am Abend habe ich die Kir­schen noch aus­sortiert und gewa­schen. Edith hat sie zu Li­kör und Saft angesetzt: Wer mal dort ist, sollte davon kosten. Am letzten Tag vor un­se­rer Rückfahrt lauschten wir in der Mediascher Kirche noch Ediths Orgelspiel exklu­siv für uns. Danke, liebe Edith!

Später besuchten wir drei weitere Familien in Axente Sever/Frauendorf:

- Familie Fodor mit 10 Kindern
- Familie Ganea
- Ana Strugaru

Es schloss sich noch der Besuch des siebenbürgischen Heimatmuseums an, was jedem zu empfehlen ist, der einmal in Mediaş ist und es noch nicht gesehen hat. Am Abend waren wir mit Edith, ihrem Sohn Raphael und ihrer Freundin Erzebeth in einer chinesischen Gaststätte und führten gute Unterhaltungen. Etwas traurig stimmte uns, dass wir schon bald Abschied nehmen mussten.

NegreaDer Abreisetag brachte noch ein besonderes Erlebnis. Edith hatte uns vorgeschlagen, uns mit dem Auto nach Sibiu zu bringen, wo unsere Busse nach Dresden bzw. Berlin starten sollten. In Sibiu betreut sie seit einiger Zeit Frauen in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt, indem sie mit ihnen singt. Eine Art Therapie und ein Weg, diesen Menschen Freude zu bringen. Und wir konnten sie begleiten. Erstaunlich und beeindruckend. Unsere Hochachtung für Edith ! Zum Abschluss trafen wir in Sibiu noch Mariana Fratila, um auch ihr Geld zu überreichen. Und dann das „tolle“ Erlebnis: 20 Minuten vor der Busabfahrt merkte ich, dass ich meinen kleinen Rucksack mit sämtlichen Papieren in Medias vergessen hatte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als in einem Taxi des Busunternehmens zurück nach Mediaş zu eilen und dann dem Bus bis zur Grenze nachzufahren. Der nächste Bus wäre erst drei Tage später gefahren

Mehr als fünf Jahre war ich nicht in Rumänien. Das Land hat sich – zumindest äußerlich – verändert. Ich war überrascht von all den neuen Bauten und Verkaufstempeln. Aber auch auf dem Lande waren viele Häuser neu errichtet oder zumindest saniert worden. Viele Bauten, z. B. das Touristenzentrum Padiş, werden zum großen Teil von der EU finanziert. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele der Menschen noch von Arbeitslosigkeit und Armut heimgesucht sind. Die Preise erscheinen zwar niedrig, aber im Verhältnis zu den Löhnen und Pensionen sieht es schon wieder anders aus. Ein großer Unterschied besteht auch noch zwischen Stadt und Land, am deutlichsten haben wir das bei den besuchten Familien bemerkt, wobei auch noch ethnische Unterschiede eine Rolle spielen.

P.S.: Interessenten an meinem ausführlichen Tagebuch können sich bei mir melden. Ich kann es dann per E-Mail zuschicken.

Peter Feige