Das Haus “Nazareth” - Eine Hoffnung für die, die Hoffnung verloren haben

“Asezamnantul Nazareth” ist ein gemeinnütziger Verein, der 1993 in Rumänien gegründet wurde. Es ist eine Klinik, die Alkoholsüchtige und andere Drogenabhängige anhand von Einzel- und Gruppengesprächen sowie durch Beschäftigungstherapien behandelt. Ich schreibe diesen Artikel, weil ich selbst vor ungefähr zwei Jahren ein Patient dieser Klinik war und während meiner Behandlung dort besondere und wohltuende Erfahrungen gesammelt und erlebt habe.

Vor dem Jahr 1989, also während der kommunistischen Zeit, kannte man so etwas in Rumänien nicht. Die Fälle wurden in Krankenhäusern in den Neuropsychiatrischen Abteilungen behandelt. Sie wurden nicht als eine Krankheit betrachtet sondern als schlechte, sündigende Verhaltenszüge von Menschen, die den falschen Weg im Leben gegangen sind. Erst nach der Einführung der Demokratie fanden sich Menschen mit Mut, Initiative und gutem Herzen, die darauf aufmerksam machten, dass Alkoholismus nicht nur ein einfaches Laster, sondern eine Krankheit ist, welche sowohl die Physis als auch die Psyche des Abhängigen belastet und schädigt.

Nazareth gesamtSo gründete Herr Dr. Holger Lux zusammen mit einer Therapeutengruppe in dem Dorf Șura Mică/Kleinscheuern, 16 km von Sibiu/Hermannstadt entfernt, eine psycho-soziale Rehabilitationsklinik für Alkoholsüchtige und andere Drogenabhängige. Die Klinik befindet sich in dem Pfarrhaus der evangelischen Kirche von Șura Mică. Dort werden circa 25 Plätze für Männer angeboten, die während der Therapiezeit in der Klinik bleiben, unabhängig von Alter und Beruf. Das ist die erste und einzige Einrichtung, die Langzeittherapie für Männer in Rumänien nach westlichem Vorbild anbietet. Eine weitere Einrichtung für Frauen gibt es in einem Nachbarort.

Diese Klinik bietet sowohl Einzel- als auch Gruppentherapien, die auf Basis der Psychotherapie und der Beschäftigungstherapie aufgebaut sind, wobei auf die Vergabe von jeglichen Medikamenten oder Psychopharmaka verzichtet wird. Leider gibt es in unserem Land keine weiteren Einrichtungen, die derartige Langzeittherapien anbieten. Nur in den größeren Städten gibt es einzelne Selbsthilfegruppen, die die ehemaligen Patienten auch nach Ihrer Entlassung betreuen, da bekannt ist, dass die Rückfallquote bei dieser Krankheit sehr hoch ist. Während meiner 3-monatigen Behandlungszeit habe ich vieles über Abhängigkeit sowie über mögliche soziale und psychische Rehabilitationsmethoden gelernt. Durch Gruppentherapien werden diese Informationen vermittelt und ein familiäres Umfeld aufgebaut. Dabei lernt man, das bisher geführte Leben nicht zu verleugnen und dass man sich nicht schämen muss krank zu sein, aber dass man sich schämen sollte, wenn man nicht in Behandlung geht.

Nazareth GartenIn den letzten 15 Jahren seit der Gründung der Einrichtung hat Herr Dr. Lux mit seinen Mitarbeitern einem bedeutenden Teil der Menschen zur Rückkehr in ein normales Leben verholfen. Zu diesen gehöre ich auch selbst, und dafür bin ich ihnen vom ganzen Herzen dankbar.
Eine weitere Besonderheit dieser Einrichtung ist ihre landschaftliche Lage. Es ist ein Ort mitten in der Natur, in welcher ein Aufenthalt zu einem Hauch von Entspannung und innerer Ruhe verhilft. So bekommt man mehr Selbstbewusstsein in die eigenen Kräfte, aber auch mehr Vertrauen in die Abstinenz, die einem unmöglich erschien. Zugleich fühlt man sich hilfreich und nützlich durch die vielen Arbeitsmöglichkeiten, die innerhalb der Beschäftigungstherapie angeboten werden, wie z. B. Haushaltsaktivitäten, die Pflege der Tiere aus dem kleinen Bauernhof oder dem Anbau von Gemüse und von Blumen. All diese steigern die Lebenslust und machen jeden Einzelnen von uns nützlich in der Gesellschaft, in der er lebt.

Gleichzeitig hilft es sich selber zu erziehen und einen gesünderen, ausgeglichenen Lebensstil zu erwerben, was die Reintegration in die Gesellschaft erheblich erleichtert. Man besinnt sich darauf, dass man durch den Konsum von Alkohol oder sonstigen Drogen nicht nur seine Gesundheit, sondern gleichzeitig auch sein Familienleben, seinen Beruf und seinen sozialen Status gefährdet. Darum folgen wir dem Motto: “Nur du selbst kannst es schaffen, aber nicht allein”.

Der Direktor der Klinik Dr. Holger Lux sagte, dass der Aufenthalt im Heim zwischen 3 und 6 Monaten dauern sollte. In dieser Zeit finden auch Therapiesitzungen mit der Familie des Patienten statt. Familienmitglieder sind oft Mitleidende, da durch die Krankheit das Familienleben stark beeinflusst wird. Trotzdem bleiben Familienmitglieder wichtige Bezugspersonen, die den richtigen Umgang mit der Krankheit auch in Gesprächen mit den Therapeuten vermittelt bekommen, da sie durch falsche Reaktionen den Krankheitsverlauf auch verschlimmern können. Diese gemeinsamen Sitzungen mit der Familie haben auch den Zweck, den Krankheitsverlauf des Patienten zu analysieren, die Familie damit vertraut zu machen, aber auch, ihn mit einer positiven Einstellung für die Rückkehr in die Familie vorzubereiten.

Die meisten Patienten verlassen die Einrichtung “Asezamntul Nazareth” vorbereitet, mit neuen Kräften und klaren Gedanken. Sie werden die Zeit dort nicht vergessen und auch ihre Zeit des “Irrens auf falschen Wegen” nicht wieder verneinen. Sie werden Ihre Krankheit akzeptieren, denn sie haben gelernt mit ihr umzugehen und sie zu bekämpfen. Sie bleiben an diesen Ort und an die Freundschaften, die dort geschlossen wurden, mit dem Herzen verbunden. Sie bleiben oft weiterhin in Kontakt mit der Einrichtung, und manche von ihnen unterstützen später auch die Klinik.

Ich hoffe, dass die Erschaffung von weiteren derartigen Einrichtungen trotz der Finanzkrise und der schwierigen sozial-politischen Lage in Rumänien weiter vorangetrieben wird, damit nicht nur einem Bruchteil der Betroffenen die Heilungsmöglichkeiten einer solchen Therapie zu Gute kommt.

Nicolae (Übersetzung: Oana Georgiana Rus)