Hochzeit in Rumänien
Die Hochzeit ist eines der wichtigsten Ereignisse
im Leben des Menschen. In dem kleinen Dorf Recea (im Kreis
Braşov/Kronstadt) wird dieses Ereignis von einem beeindruckenden,
zeremoniellen Spektakel begleitet. Dort ist die Hochzeit ein Ereignis,
an dem jeder im Dorf teilnehmen kann, was zugleich aufzeigt, dass das
Dorf „die große Familie” jedes Bauern darstellt. Die Gebräuche, über
die ich im Folgenden reden werde, sind spezifisch für das Dorf Recea,
das im Herzen Transsilvaniens liegt.
Vor
der Hochzeit, wenn die Beziehung zwischen dem Paar bereits öffentlich
ist, ist der erste Schritt die „Vereinbarung” (rum. „Petit”) zwischen
den beiden Familien. Üblicherweise geht der Bräutigam mit seiner
Familie zu seinen zukünftigen Schwiegereltern. Früher war es üblich,
dass auch andere Verwandte des Bräutigams mitgehen, welche die Stärken
des jungen Mannes vor den zukünftigen Schwiegereltern loben sollten.
Man besprach die Mitgift („Zestre”), die jeder von seinem Elternteil
für das neue Haus bekommt. Die Mädchen bekamen meistens eine große
Truhe, die selbst genähte Decken, Bettbezüge oder andere im Haushalt
nützliche Sachen enthielt. Dem Jungen wurde Geld oder Tiere für die
Landwirtschaft gegeben.
Heutzutage wird im ersten Schritt das
Hochzeitsdatum festgelegt. Die Hochzeit wird dann drei Sonntage
hintereinander im Gottesdienst angekündigt, so dass jeder, der etwas
gegen die Vereinigung des Paares hat, es rechtzeitig dem Pfarrer sagen
kann. Dadurch sollte insbesondere eine Heirat zwischen engerer
Verwandtschaft vermieden werden. In der Zeit von der „Vereinbarung” bis
zu Hochzeit, sind die beiden Familien beschäftigt mit den
Haushaltsarbeiten, welche die Vorbereitung einer Hochzeit voraussetzen:
Reparieren und Streichen des Hauses, oder wie man im rumänischen sagen
würde: „das Erneuern des Hauses”.
Früher wurden die
Hochzeitsgäste persönlich von dem Hochzeitspaar und den näheren
Verwandten an dem Donnerstag oder Freitag vor der Hochzeit eingeladen.
Die jungen Leute wurden außerdem zu einer Feier eingeladen, die einen
Abend vor der Hochzeit stattfand. Diese Feier nennt sich wörtlich
übersetzt „der Kuchen der Braut” und ist vergleichbar mit einem
Junggesellenabschied. Ein Abend vor der Hochzeit sammeln sich die
jungen Leute des Dorfes im Haus der Braut. Diese ist verpflichtet, eine
Art Lebkuchen zu backen, der dann in kleine Stücke geschnitten wird.
Die Stücke werden dann durch Honig und Nüsse gewälzt, wobei nach alter
Dorftradition der Honig das gewünschte süße Leben nach der Hochzeit und
die Nüsse die Fruchtbarkeit symbolisieren. Die Braut verteilt die
Kuchenstückchen aus einer neuen, um die Hüfte gebundenen Schürze an die
Gäste, die einen Kreis um die Braut bilden. Sie zelebriert so mit den
Gleichaltrigen das Ende ihres jugendlichen Lebensabschnittes und den
Übergang in ihre neue Rolle als Ehefrau.
Am Morgen des Hochzeitstages sammeln sich die besten
Freundinnen der Braut in ihrem Haus und entsprechend auch die Jungs im
Haus des Bräutigams. Die Mädchen bekleiden und schmücken die Braut. Sie
singen ihr Abschiedslieder und geben ihr Ratschläge in Form von
„Strigaturi” eine Art gleichtonartigem Lied was von Generation zu
Generation weitergegeben wird. In beiden Häusern werden Kuchen und
traditionelle Getränke angeboten, unter anderem den selbst gebrannten
Schnaps “Rachiu / Ţuică” oder Wein. Die Haustore der Braut, des
Bräutigams und der Trauzeugen bleiben den ganzen Tag offen. Das
symbolisiert einerseits, dass sie immer bereit sind, Gäste zu
empfangen, aber auch, dass die beiden ihre Schicksale verbinden und
dass sich ihre Schritte von zu Hause entfernen.
Der
Hochzeitszug beginnt am Haus des Bräutigams und geht Richtung des
Hauses der Trauzeugen. Der Bräutigam ist Anführer des Zuges und trägt
als Geschenk an die Trauzeugen eine mit Blumen geschmückte Flasche
Schnaps und einen „Cozonac”, ein traditioneller rumänischer
Hefeteigkuchen mit Nuss. Des Weiteren verteilt der Bräutigam Schnaps an
alle Dorfbewohner, die dem Hochzeitszug vom Haustor aus zuschauen, was
erneut zeigt, dass jeder in der Gemeinde in die Feierlichkeiten
einbezogen wird. Während des Zuges wird außerdem gepfiffen und
gesungen, um die bösen Geister zu vertreiben, die sich in den Weg des
jungen Bräutigams stellen könnten.
Im Hof der Trauzeugen
beginnt der traditionelle Tanz „Hora” bei dem sich alle die Hände geben
und im großen Kreis getanzt wird. Dabei werden auch mehrere Kreise
ineinander gebildet, die den Zusammenschluss zu einer neuen Familie und
die Einheit der Gemeinde symbolisieren. Danach folgt der Hochzeitszug
mit den Trauzeugen seinem Weg weiter Richtung Haus der Braut. Diesmal
sind die Anführer des Zuges der Bräutigam mit seinen Trauzeugen, wobei
seine Freunde hinten bleiben. Das symbolisiert, dass der Bräutigam sich
von seinem Status als „Junggeselle” getrennt hat.
Am Haus der
Braut wartet dann der Zug der Braut, der aus Ihrer ganzen
Verwandtschaft besteht, und begegnet dem Bräutigamszug zunächst mit
Skepsis. Die Braut hat einen Preis und muss gewonnen werden, da die
Verwandtschaft der Braut nicht bereit ist, sie einfach so herzugeben.
Dann beginnt einer der Junggesellen eine Hochzeitsgeschichte zu
erzählen, in der das Hauptmotiv der Jagd auftritt. Die Braut wird als
braves Reh dargestellt, Symbol der jugendlichen Weiblichkeit schon seit
der Antike, als das Reh ein heiliges Tier war, das der Göttin Hera
gewidmet war – der Göttin der Liebe und der Heirat, der Beschützerin
der Familie.
Die Verwandten der Braut versuchen den Bräutigam
zu täuschen und bringen ein in weiß gekleidet kleines Mädchen zu ihm.
Er wird aber darauf bestehen, dass er seine zukünftige Frau bekommt.
Die Braut kommt dann mit einem Wasserkrug, idem sich ein
Basilikum-Strauß befindet, aus dem Haus und bespritzt mit dem Wasser
den Hochzeitszug im Sinne eines Segens. Dann verschwindet sie schnell
wieder ins Haus, weil der Bräutigam etwas bezahlen muss, damit die
Türen geöffnet werden und er die Braut mit zur Kirche nehmen kann. Beim
Gang in die Kirche darf die Braut nicht nach hinten schauen, weil diese
Geste Symbol dafür ist, dass sie das bis dahin geführte Leben vermisst
und das darum ihr zukünftiges Leben mit Schwierigkeiten und Ärger
verbunden sein wird.
Es folgt der Gottesdienst. Das religiöse Ritual wird nach
klassischen Gebräuchen gestaltet und hat als Höhepunkt die Vergabe der
Ringe – Symbol der Unendlichkeit der Liebe, Einigkeit und Treue. Nach
dem Gottesdienst zieht der Hochzeitszug in Richtung Dorfzentrum, wo
wieder der traditionelle Tanz der Braut „Hora Miresei” getanzt wird.
Alle geben sich die Hände und tanzen im großen Kreis um den Wasserkrug
mit dem Basilikum-Strauß, mit dem die Braut zuvor die Leute gesegnet
hat.
Während bestimmte Lieder gesungen werden, muss die Braut mit ihrem
Fuß den Krug drei Mal umstoßen und das darin enthaltene Wasser heraus
fließen lassen. Beim dritten Mal zertritt der Bräutigam den Krug mit
dem Fuß. Dieser Ritus ist Teil der Fruchtbarkeitsriten, die oft bei
Hochzeiten zu finden sind. Der Krug ist Symbol für den weiblichen
Uterus, der Kinder trägt. Die Zerstörung des Kruges durch den Bräutigam
ist Symbol dafür, dass er die Frau von jetzt an begleitet und, dass er
der Vater ihrer Söhne sein wird.
Während und nach der Hochzeitsfeier gibt es noch weitere
symbolische Riten, deren Sinn es ist, die Atmosphäre der Feier zu
erhalten. Eine dieser Riten ist „das zum Fluss schaffen“ des Bräutigams
am zweiten Tag nach der Hochzeit. Die Junggesellen des Dorfes bereiten
eine Kutsche vor, schmücken sie, füllen sie mit trockenem Heu und
Tannenzweigen und setzen anschließend den Bräutigam hinein. Sie
maskieren sich und den Bräutigam, indem sie sich mit schwarzer Kohle
einschmieren. Auf dem Weg zum Fluss versucht der Bräutigam zu
entkommen, doch die Junggesellen rennen hinterher und fangen ihn, indem
sie ihn symbolisch mit einem blühenden Ast schlagen. Am Fluss
angekommen, kippen sie die Kutsche um und werfen den Bräutigam in den
Fluss. Außerdem werden alle Neugierigen nass gespritzt, die auf der
Brücke zuschauen. Am Ufer des Flusses erwartet die Braut ihren
Bräutigam mit einem weißen Handtuch, um die Kohle aus seinem Gesicht zu
wischen.
Das Tauchen des Bräutigams in den Fluss symbolisiert die
Bereinigung von seinen „Sünden”, die er als Junggeselle begangen hat,
sowie die Akzeptanz seines neuen Status als Ehemann seitens seiner
auserwählten Ehefrau. Nach dem Bad folgt dann eine neue Feier, in der
manche Leute als maskierte Zigeuner auftreten und zum Spaß der ganzen
Feier werden. Die Zigeuner sind zugleich Sinnbild einer kinderreichen
Familie und symbolisieren damit die Wünsche der Hochzeitgesellschaft
auf baldigen Nachwuchs.
Auch wenn einige dieser Rituale mit der Zeit verloren gegangen
sind, sind viele davon in heutigen Hochzeitszeremonien noch zu finden.
Sie verbinden die jüngere Generation mit ihren Vorfahren und sind so
wertvoll, dass sie weitergegeben werden sollten.
Bardasu Diana (Übersetzung: Oana Georgiana Rus)