Geschichte und Gegenwart der Initiative Rumänien (von Bettina Rost)

Wie kam es überhaupt zu meiner Mitarbeit in der Dresdner Rumänieninitiative? Zum einen galt mein Interesse der prekären Situation in Osteuropa und den Folgen, die durch die zunehmende Verarmung großer Bevölkerungsschichten hervorgerufen werden, sowie den Hilfsansätzen von Seiten westeuropäischer Nachbarn; zum andern wollte ich bürgerschaftliches Engagement im Rahmen eines kleinen Vereins meiner Heimatstadt kennen lernen und selbst miterleben, welchen Menschen konkret Spendengelder zugute kommen.
Im Folgenden soll davon die Rede sein, welchen Stellenwert ausländische Hilfe im Allgemeinen für Rumänien hat (1.), wie es speziell zur Gründung der Initiative Rumänien e.V. kam und welchen Aufgaben sich dieser Verein widmet (2.). Des Weiteren geht es um die Situation von Sozialwaisen in Rumänien (3.) sowie um deren Betreuung unsererseits mit Hilfe von Kinder- und Jugendfreizeiten (4./5.).
 

1. Auswärtige Hilfe für Kirche und Soziales

Rumänien ist ein - nicht nur politisch - zerbrechliches Land am Rande Europas, in dem die Armut wächst, Korruption an der Tagesordnung ist und ethnische Konflikte auftreten - ein Land voller Spannungen. Ebenso wie die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, seien es Rumänen, Ungarn, Deutsche oder Roma, einander voller Vorurteile begegnen, so stehen sich auch die Konfessionen, abgesehen von einzelnen Zusammenkünften und Gebetstreffen, eher distanziert und wenig tolerant gegenüber. Ökumenisches (Um-) Lernen über bloßen Respekt und gegenseitige Achtung hinaus scheint dringend geboten.
Im Kampf um den Anschluss an die westliche Welt sind eine schwierige Vergangenheit und die Nachwirkungen der kommunistischen Diktatur vielfach hinderlich. Wichtig wären Projekte in den Bereichen Friedenspädagogik, Konfliktvermeidung, Dialogförderung und Menschenrechte.
In sozialer Hinsicht ist besonders die landesweite Arbeit der Caritas in Rumänien erwähnenswert. Sie konzentriert sich in erster Linie auf die Alten- und Krankenpflege sowie die Versorgung der Armen. Dabei muss die Caritas Rumäniens noch weitgehend Spenden und Unterstützung aus dem Ausland in Anspruch nehmen, wie Kleidung, Lebensmittel und technische Geräte. Nur so können bislang Sozialstationen mit ambulanter Krankenpflege eingerichtet und finanziert, Altenheime, Krankenhäuser und soziale Institutionen des Staates unterstützt werden. Dass solche ausländischen Hilfeleistungen nur vorübergehend sein können und wollen, versteht sich von selbst.
"Hoffnung für Osteuropa" arbeitet seit 1994 als Netzwerk der Hilfe. Getragen wird die Aktion, die auch in Rumänien soziale Projekte fördert, u.a. vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Häufig geht ausländische Hilfe auch von kleineren Vereinen aus, die auf ehrenamtlicher Basis wirksam werden und ihre Arbeit auf bestimmte Regionen und kleine überschaubare Projekte beschränken. So gibt es eine nicht geringe Anzahl an so genannten Rumänien-Initiativen, welche sich verstärkt in Ostdeutschland gebildet haben. Einerseits ist dieser Umstand damit zu erklären, dass die DDR-Vergangenheit und also eine ähnliche politische Geschichte ein besseres Verständnis für die Probleme der Menschen in Rumänien entwickeln lässt und andrerseits das Land aufgrund der einstigen Reisemöglichkeit für DDR-Bürger den Ostdeutschen gut bekannt war und ist. Viele persönliche Beziehungen sind so entstanden.
Immer wieder hat man in jenen Initiativen wie der Dresdner "Initiative Rumänien e.V." die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, zuallererst behutsam eine persönliche Beziehung zu den zu Unterstützenden herzustellen, damit ein Vertrauensverhältnis zwischen beiden Seiten entstehen kann. Hierbei spielen Einfühlungsvermögen in die entsprechenden Lebenssituationen und ein ehrlicher Austausch darüber, was die rumänischen Projektpartner wirklich brauchen und wie deren Vorstellungen aussehen, eine große Rolle. Demnach kann es nicht nur darum gehen, aus einem spontanen solidarischen Enthusiasmus heraus hier und da mit großartigen Spenden aufzuwarten und später wieder fernzubleiben, sondern vielmehr darum, echtes und dauerhaftes Interesse zu zeigen. Oft sind es nur winzige Schritte, die man im Rahmen eines konkreten Vorhabens voranzukommen scheint. Dabei sind Zuverlässigkeit, Kontinuität und das Ertragen schwieriger Bedingungen seitens der Initiatoren maßgebend und letztlich für den Erfolg verantwortlich. Es gilt also, trotz Misserfolgen den Kontakt zu den Partnern und Freunden in Rumänien aufrecht zu erhalten und immer wieder Verstand, Erfahrungen und Kreativität einzusetzen, was eine sinnvolle Verteilung von Zeit und Geld oder die Bewältigung der vielfältigen, zumeist bürokratischen Schwierigkeiten anbetrifft. Auf diese Weise kann auch im Kleinen erstaunlich viel erreicht und dauerhaft verändert werden. Dies zeigt nicht zuletzt die Arbeit des Dresdner Vereins "Initiative Rumänien", in welchem sich seit über zwölf Jahren viele Ehrenamtliche vor allem im siebenbürgischen Landstrich Rumäniens engagieren.

2. Gründung, Ziele und Projekte der Initiative Rumänien e.V.

Anlass der Gründung einer Rumänien-Initiative in Dresden waren die blutigen Auseinandersetzungen im Herbst 1989 in Temeschwar/Timisoara und Bukarest beim Sturz des Diktators Ceausescu. In diesem Zusammenhang wurde zunächst das Ziel verfolgt, die Menschenrechte wieder zur Geltung zu bringen, die während der Diktatur massiv verletzt worden waren. Nach wie vor ist die Wahrung der Menschenrechte das große Ziel, das im Hintergrund der Vereinsarbeit steht: Denn immer noch gilt es, jene Rechte durchzusetzen - angesichts der dramatischen Armut und der Kinder, die infolgedessen von ihren Familien ausgesetzt werden. Hinzu kommt die erschreckende Diskriminierung der Millionen Roma im Land.
Anfangs hatten sich mehrere Freundeskreise in der "Arbeitsgruppe Menschenrechte für Rumänien" zusammengeschlossen, ein Vorgang, der nicht zuletzt durch die Entwicklung in der DDR zur Zeit der Wende erst ermöglicht wurde. Neben der Organisation erster Hilfstransporte nach Rumänien führte man zugleich auch Informationsabende in Dresdner Kirchengemeinden zur aktuellen politischen und materiellen Notlage in Rumänien durch. Aus den zunächst eher spontanen Aktionen erwuchsen allmählich immer besser organisierte und gezieltere Hilfseinsätze, die Ende 1990 schließlich zur Gründung eines Vereins mit dem Ziel der "Förderung internationaler Gesinnung" (laut Satzung) führten. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit sollte die "solidarische Hilfe für Arme, Kranke und soziale Randgruppen in Rumänien durch die langfristige Unterstützung karitativer Projekte sowie die Kontaktvermittlung zwischen Helfenden und Bedürftigen" bilden. Oberstes Kriterium für die Auswahl der Aktivitäten ist jedoch das Motto "Hilfe zur Selbsthilfe".
Die Arbeit der Initiative wird überwiegend durch private Spenden und die Beiträge der Fördermitglieder finanziell sichergestellt und allein von ehrenamtlich Tätigen aufrechterhalten. Sie umfasst neben der Mitwirkung an konkreten Projekten des Vereins die Vorbereitung von Spendenaktionen, wie z.B. die Organisation des jährlichen Benefizkonzertes zugunsten der Initiative, aber auch Büro- und Öffentlichkeitsarbeit.
Seit nunmehr 12 Jahren fahren Mitglieder und Freunde der Initiative Rumänien e.V. in regelmäßigen Abständen nach Rumänien. Dabei werden zum einen die Briefe von Dresdner Familien an Familien in Rumänien verteilt sowie der Kontakt zwischen beiden Seiten ausgebaut, zum andern die vom Verein unterstützten Projekte besucht. Dazu gehört das Kinderheim in Arbegen/Agârbiciu, dessen Bauvorhaben innerhalb des Heimes (Verkleinerung der Zimmer, Modernisierung der Sanitäranlagen, Bereitstellung einer Waschmaschine, Aufstellung von Tischtennisplatten) finanziell gefördert und für dessen Kinder - gemeinsam mit Kindern eines Mediascher Kinderheimes - mehrmals im Jahr Ferienlager durchgeführt werden. Diese finden im Sommer häufig in dem von der Initiative unterstützten Gästehaus der ungarischen evangelischen Gemeinde in Tatrang/Tarlungeni statt.
Des Weiteren haben enge Kontakte zum Krankenhaus der Stadt Reps/Rupea bestanden, welches jahrelang mit Medikamenten und medizinischen Geräten versorgt worden ist. Außerdem war die Initiative beim Bau eines Spielplatzes in der Industriestadt Fogarasch erfolgreich beteiligt, indem sie einerseits 50% der Kosten übernommen und andrerseits dazu beigetragen hat, dass die Stadt und ihre Verwaltung anhand eines solchen Projektes Eigenverantwortung entwickeln konnten. Mit Hilfe von Workcamps und eines Zivildienstleistenden wurde das sogenannte "Bunte Haus" in Arbegen als Begegnungsstätte für Menschen aus dem In- und Ausland instand gesetzt - verbunden mit der Idee, durch dessen Angebote und Räumlichkeiten ganz besonders Jugendliche aus Rumänien anzusprechen, sich hier u.a. mit Themen des Lebensstils, der ökologischen Verantwortung und der Gestaltung der eigenen Zukunft auseinander zu setzen.
Zur Zeit befinden sich neue Projekte im Aufbau: Durch ,Familienpatenschaften' sollen kinderreiche Familien in Rumänien derart entlastet werden, dass sie nicht mehr gezwungen sind, einen Teil ihrer Kinder in Heime geben zu müssen. Auch alte und kranke Menschen sollen von diesem Projekt, das von einem rumänischen Sozialarbeiter koordiniert wird, profitieren. Derzeit wird in Freck/Avrig ökologischer Landbau begonnen, woran ein Schulungszentrum für Landwirtschaft und Umweltbildung gekoppelt werden soll.
In Deutsch-Weißkirch/Viscri, einem siebenbürgischen Dorf, in welchem in den letzten zehn Jahren keine ärztliche Sprechstunde mehr abgehalten worden ist, wurde seitens der Initiative der Aufbau einer Sozialstation unterstützt.
Ganz bewusst soll die Arbeit dieses kleinen Vereins allen Bevölkerungsgruppen, sprich: den Rumänen, der ungarischen und der deutschen Minderheit sowie den Roma gleichermaßen zugute kommen, um zu einem versöhnten Neben- und Miteinander der verschiedenen Nationalitäten und ihrer Kirchen beizutragen.

3. Zur Situation und Lebenswelt von Frauen und Waisenkindern

In den letzten Jahren ist die Arbeit mit Waisenkindern zu einem der wichtigsten Anliegen des Dresdner Vereins geworden. Dadurch dass in den Schulferien, d.h. zu Ostern, im Sommer und zu Weihnachten, regelmäßig je ein bis zwei Ferienlager durchgeführt werden, strukturieren die Ehrenamtlichen in gewisser Weise den Jahresablauf der Kinder aus Arbegen und Mediasch.
In Rumänien leben noch immer zahlreiche Kinder und Jugendliche in Heimen; es handelt sich vorwiegend um sogenannte Sozialwaisen, die von ihren Familien aus verschiedenen Gründen verlassen worden sind. Zum einen hat der ehemalige Diktator Ceausescu eine Vielkinderpolitik betrieben und z.B. jede Geburt finanziell honoriert. Die Frauen sollten so viele Kinder wie möglich zur Welt bringen, dann wurden sie als ,Heldenmütter' bezeichnet, auch wenn sie oft nicht für die große Zahl ihrer Kinder sorgen konnten - für diesen Fall waren genügend Kinderheime gebaut worden. Durch das Verbot von Geburtenkontrolle und Abtreibung kam es zu einer immensen Zahl ungewollter Kinder, die von ihren Eltern in Waisenhäuser abgeschoben oder nach der Geburt in den Krankenhäusern liegen gelassen worden sind.
Zum andern ist es auch heute noch kennzeichnend für die rumänische Gesellschaft, dass viele junge Frauen aus einfachen Verhältnissen aufgrund mangelnder Bildung und fehlender Informationen über Familienplanung Kinder bekommen, für die sie dann nicht sorgen können - obwohl Abtreibungen heute legal und Verhütungsmittel überall zu finden sind. Hinzu kommt, dass Mütter in Rumänien wenig entlastet werden, sondern eher Mehrfachbelastungen ausgesetzt sind: Es ist völlig natürlich und selbstverständlich, dass die Frau berufstätig ist und wesentlich zur Sicherung des Lebensunterhaltes ihrer Familie beiträgt, die Kinder erzieht, für die Hausarbeit zuständig ist und in vielen Fällen noch alte und kranke Familienangehörige zu pflegen hat. Unterstützung und Wertschätzung von außen bleiben weitgehend aus.
Drittens zwingt finanzielle Not viele kinderreiche Familien dazu, ihre Kinder in Heime zu geben, um deren Überleben und Schulbildung sicherzustellen. Mit der unvorstellbaren Armut sind häufig Alkoholismus und Kriminalität verbunden, so dass einige Kinder aus ihren Elternhäusern flüchten, von der Polizei aufgegriffen und wiederum in Heimen untergebracht werden.
Viertens sind vor allem die Kinder der Roma massiv von einer Abschiebung ins Heim betroffen, da 62% der Frauen jener Volksgruppe, die in Rumänien immerhin rund zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht, keine Verhütungsmethoden kennen, jede Frau mindestens fünf Kinder bekommt und viele bereits unter 16 Jahren (ein Fünftel), spätestens aber bis zum 18. Lebensjahr (50%) ihr erstes Kind haben. Zudem werden sogenannte Zigeunerkinder aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe und wegen Vorurteilen öffentlich diskriminiert und wurden auch in unserem Beisein als "Schwarze" verlacht; sie haben außer einer kriminellen Laufbahn kaum Zukunftschancen. Die Angehörigen der Volksgruppe der Roma werden zu Sündenböcken für die jetzige wirtschaftliche Misere gemacht; sie stehen seit dem Mittelalter  auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie und sind stets Fremde geblieben. Wenn wir mit unseren Gruppen aus den Arbegener und Mediascher Heimen, in denen ein Großteil der Kinder zu den Roma gehört, ins Ferienlager unterwegs sind, kommt es regelmäßig vor, dass wir von Mitreisenden abfällig angeschaut und gefragt werden, warum wir ,diese' denn durchfüttern wollten. Rumänischen, deutschen und ungarischen Kindern wird der Hass auf "Zigeuner", die nicht als richtige Menschen betrachtet werden, schon von klein auf eingeimpft.
So gewinne ich immer mehr den Eindruck, dass wir letztendlich auch ein Stück Völkerverständigung betreiben, indem wir uns mit jenen unwillkommenen und benachteiligten Kindern in der Öffentlichkeit bewegen, zumal wir uns ja nicht nur mit Roma-Kindern, sondern auch mit rumänischen Kindern in Ortschaften und Gästehäusern der ungarischen und deutschen Minderheit, die ihren Nationalstolz nur schwerlich verbergen können, aufhalten. Zumindest rufen die Begegnungen mit uns nicht bloß Unverständnis, sondern auch Neugier und Erstaunen hervor, so dass etliche Menschen uns ansprechen, interessiert nachfragen oder den Kindern gar kleine Geschenke machen.

4. Die Durchführung von Kinderfreizeiten - ein komplexes Aufgabenfeld

Ich habe schnell gemerkt, dass zur Organisation eines Ferienlagers in Rumänien weit mehr gehört als allein die konkrete Durchführung vor Ort. Im Vorfeld müssen in Dresden mehrere Großeinkäufe von Lebensmitteln, Spiel- und Bastelmaterialien erledigt sowie die notwendigen Papiere für das rumänische Jugendamt zusammengestellt werden. Des Weiteren bedarf es der Reservierung von Räumlichkeiten für ein Ferienlager in Rumänien, was sich meist telefonisch regeln lässt. Ferner ist es nötig, rechtzeitig einen Kleinbus zu mieten. Nach einer sehr langen und anstrengenden Autofahrt nach Rumänien gilt es dann, beim örtlichen Jugendamt die Erlaubnis zur Durchführung unserer Kinderfreizeiten einzuholen, was nicht ohne Kampf und Nervenkitzel abläuft. Zuvor müssen die Termine mit den jeweiligen Kinderheimdirektoren abgesprochen werden und Listen mit denjenigen Kindern angefertigt werden, die an den Ferienlagern teilnehmen sollen, wobei es verständlicherweise viele Tränen und Bitten seitens der Heimkinder gibt. Nach zwei Kriterien wird schließlich eine Anzahl von jeweils 15 Kindern ausgewählt: gemäß dem Gerechtigkeitsprinzip, das besagt, dass jeder einmal an der Reihe sein sollte, sowie dem Prinzip, wonach die Schwächsten und Benachteiligsten bevorzugt werden, so dass durchaus Kinder dabei sein können, die mehrmals mitkommen dürfen. Nachdem letzte Einkäufe, Zugverbindungen und Fahrkarten besorgt sind, können wir mit einer Kindergruppe aufbrechen.
Damit die Kinder und Jugendlichen, die im Heim zurückbleiben müssen, auch etwas Besonderes erleben können, wird im Anschluss an ein Ferienlager häufig noch eine Aktion für das gesamte Kinderheim geplant. Zu Ostern versteckten wir zu diesem Zwecke auf einer Wiese unzählige Osterkörbchen, die von den Kindern im Ferienlager gebastelt und gefüllt worden waren, um sie von den Erziehern und allen Heimbewohnern suchen zu lassen.
Was die Arbeit mit Sozialwaisen betrifft, so bedarf es aber auch hier neuer Perspektiven. Es ist sehr wichtig, die Ferienangebote für Heimkinder weiterhin aufrechtzuerhalten, zugleich jedoch zu versuchen, das Problem der Vielzahl von Kinderheimen an der Wurzel zu fassen. In diesem Sinne besuchen wir vor Beginn der Ferienlager häufig arme, zumeist kinderreiche Familien im Umkreis der beiden Kinderheime, um deren Lebenslage und deren Bedürfnisse zu erkunden. Dabei handelt es sich um Menschen, denen im Rahmen des gerade neu anlaufenden Projektes ,Familienpatenschaften' von Seiten deutscher Patenfamilien finanziell und materiell beigestanden werden soll. Ziel ist es, von vornherein zu verhindern, dass aufgrund wirtschaftlicher Nöte immer mehr Kinder in Kinderheimen aufwachsen müssen. Wie dringend hier Abhilfe zu schaffen ist, zeigte mir das Beispiel einer allein erziehenden Mutter von zwei Kindern, die ihre Schwangerschaft aus Verzweiflung, aber auch in Verantwortung für ihre größeren Kinder abgebrochen hatte. Andernfalls hätte sie im Schwangerschaftsurlaub so wenig Geld bekommen, dass sie ihre beiden Kinder entweder zum Betteln auf die Straße schicken oder ins Heim hätte geben müssen. Vor kurzem hat sie nun doch ein drittes Kind in äußerste Armut und in viel Schmutz hinein zur Welt gebracht. Also gilt es, auch das Umfeld der betreuten Waisenkinder mit in Augenschein zu nehmen und hier - an den Wurzeln - wirksam zu werden.

5. Einblicke in den Alltag eines Kinderferienlagers

Zu unseren täglichen Aufgaben in einem Ferienlager gehört es z.B., beim Duschen und Aus- und Anziehen der Kinder zu helfen. Das Essen wird jeden Tag gemeinsam mit ein paar Kindern vorbereitet, denen wir beibringen, wie man Kartoffeln schält, wie viele Löffel Zucker in den Tee gehören oder wie man Spinat putzt. Am liebsten helfen die Kinder beim Backen von Kuchen oder bei der Herstellung leckerer Süßigkeiten. So häufig es möglich ist, gehen wir mit den Kindern ins Freie, spielen Federball, Fuß- oder Volleyball, Sackhüpfen oder Tauziehen. Daneben sind Schnitzeljagd und Eisessen beliebte Unternehmungen. Da es im letzten Sommer sehr kalt und regnerisch war, begaben wir uns zumeist auf Ausflüge in die nahe gelegene Stadt - in den Zoo, in eine Pizzeria, fuhren mit der Seilbahn oder gingen gemeinsam ins Kino. An den Sonntagen besuchten wir mit den Kindern manchmal den rumänisch-orthodoxen Gottesdienst im Dorf. Am letzten Abend führen wir oft eine Nachtwanderung mit selbst gebauten Lampions durch. Um die Fingerfertigkeit der Kinder, die teilweise nicht einmal in der Lage sind, eine Schere richtig zu halten, zu trainieren, basteln wir viel - u.a. Musikinstrumente; auch malen wir gern oder fertigen mit kleinen Sägen und Sandpapier Holzarbeiten an. Zu Ostern wurden Ostereier ausgeblasen, bemalt und schließlich als Geschenke für das Kinderheim mitgebracht. Im letzten Winterferienlager haben die Kinder Christbaumschmuck hergestellt und ein kleines Tannenbäumchen damit geschmückt.
Ich denke, es ist weiterhin wichtig, mit unseren Ferienangeboten den Kindern zu zeigen, dass es verlässliche Menschen bzw. Erwachsene gibt, denen sie vertrauen können, von denen sie geliebt, getröstet und anerkannt werden und zu denen sie eine dauerhafte Beziehung aufbauen können. Es bleibt zu hoffen, dass jene regelmäßigen unbeschwerten und glücklichen Ferienwochen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Kinder ausüben. Etliche Kinder werden von uns Dresdner Freiwilligen auf diese Weise nun schon seit sieben bis acht Jahren kontinuierlich begleitet und sind dabei mittlerweile fast erwachsen geworden. Dass uns viele Kinder ,Papa' und ,Mama' nennen, zeugt wohl davon, dass wir für sie die ersten Bezugspersonen überhaupt sind. Schön ist es, zu beobachten, wie anfangs verschlossene Kinder plötzlich aufblühen und wenigstens für kurze Zeit glücklich und ausgelassen sind.