10 Thesen zur Situation der Kinder und Jugendlichen in Rumänien  (von Bettina Rost)

1. In der chaotischen postkommunistischen Gesellschaft sehen junge Leute keine Zukunftsperspektive, sie finden darin keine Orientierung im Blick auf die berufliche Zukunft oder kulturelle Werte.

2. Die meisten Jugendlichen sind von Auswanderungssucht ergriffen; sie nehmen die Entwurzelung in Kauf zugunsten der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

3. Am 26. November 2000 haben bei den Präsidentschaftswahlen nicht die Verlierer der Wende von 1989, sondern viele junge Menschen für Vadim Tudor und seine neofaschistische Partei gestimmt.

4. In Rumänien leben noch immer 150.000 Kinder in zumeist heruntergekommenen Heimen, und es gibt eine erschreckend hohe Zahl von Straßenkindern. Grund dafür war die Vielkinderpolitik des ehemaligen Diktators Ceausescu. Durch das Verbot von Geburtenkontrolle und Abtreibung kam es zu einer immensen Zahl ungewollter Kinder, insbesondere in Roma-Familien, die von ihren Eltern in Waisenhäuser abgeschoben oder nach der Geburt in den Krankenhäusern liegen gelassen worden sind; es handelt sich um sog. Sozialwaisen.

5. Kinder, die nicht der gängigen Vorstellung von Normalität entsprechen, werden in Heime verfrachtet oder als behindert bzw. autistisch stigmatisiert. Es fehlt an ausreichendem Personal in den Kinderheimen und an heil- und sonderpädagogischer sowie psychologischer Betreuung - nicht nur der Langzeitheimbewohner.

6. Bittere Armut zwingt viele kinderreiche Familien, besonders der Roma, einen Teil ihrer Kinder in Heime zu geben, um deren Ernährung und Schulbildung sicherzustellen, oder zum Betteln in die Städte zu schicken.

7. Kinder der Volksgruppe der Roma werden wegen ihrer dunklen Hautfarbe und Vorurteilen öffentlich diskriminiert; sie haben außer einer kriminellen Laufbahn kaum Zukunftschancen. Von Maßnahmen ihrer Integration kann keine Rede sein.

8. Nötig wären Adoptions- und Pflegeelternvermittlung sowie die soziale Reintegration der unzähligen Straßen- und Bettelkinder.

9. Viele der Erzieher haben keinen pädagogischen Abschluss. Die Aus- und Weiterbildung von qualifiziertem (sozial-) pädagogischen Personal müsste als notwendig erkannt und intensiviert werden.

10. Inzwischen ist in Abstimmung mit EU-Forderungen als ein erster Reformschritt seitens der Regierung eine Nationale Agentur zum Schutz der Kinder- und Jugendrechte gegründet worden.