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Samstag 03.12.
20:28 Uhr // Kultur
Dieter Keiner im Gespräch mit Georg Hansen, dem Autor des Romans
Als Kalisch deutsch war. Eine Tochter auf den Spuren der Besatzer. Ein dokumentarischer Roman
Es ist ein Buch über das von Deutschland besetzte Polen der Jahre 1940 bis 1944. Ein Buch darüber, wie sich eine deutsche Besatzer-Familie in einem besetzten Land heimisch einrichtet und ihre Vorstellungen von einem aufstiegsbewußten, normalen Leben verfolgt. Es ist die Geschichte einer Familie, die von der Tochter, angestoßen durch die Entdeckung der Tagebücher ihres Vaters, mit Neugier und Widerstand, mit Zugewinn an Wissen und Bewußtsein nachgezeichnet wird.
Einer Tochter, die sich auf die Suche nach der Geschichte ihrer Familie und ihrer eigenen Biographie begibt und in diesem Prozeß begreift, daß das über die Tagebücher sich erschließende Bild ihres Vaters sich zu einem Bild der Zeit ihrer Jugend im besetzten Polen verdichtet. Sie erkennt, daß ihr Vater, ein eher unverdächtiger Experte für Landwirtschaft, ein Mitläufer und ein Mittäter war und daß ihre Eltern in der Verfolgung ihrer vermeintlich nur privaten Interessen solche waren, die jede Besatzungsmacht mit Notwendigkeit braucht.
So wird der Lernprozeß der Tochter zu einem Lernprozeß des Lesers gerade durch die besondere Struktur und Qualität dieses Romans. Es ist ein dokumentarischer Roman, in dem historische Quellen und Dokumente nicht zu einem Alibi fürs Authentische verkommen. Und es ist ein Roman, der einen nicht unbescheidenen Beitrag zur weiteren Gestaltung deutsch-polnischer Beziehungen dadurch leisten wird, daß er verdeutlicht, daß die Perspektiven wie die Qualität dieser Beziehungen entscheidend nicht von erfolgreichen Handelsbilanzen oder von geschickt gemanagten EU-Integrationsstrategien abhängen wird.
Der Autor ist Professor für Interkulturelle Erziehungswissenschaft an der FernUniversität in Hagen. Das Buch ist 2005 im Schardt Verlag in Oldenburg erschienen, hat mit allen Anhängen und Nachweisen 199 Seiten und kostet 12.80 Euro.