Nur noch einstündig Bürgerfunk?

Am 11.10.2006 trafen Mitglieder des "Landesarbeitskreises Qualitätsoffensive Bürgerfunk" (LAK) Vertreter der CDU-Landtagsfraktion. Thema war der aktuelle Stand der geplanten Gesetzesänderungen für den Bürgerfunk. Im Gespräch mit Vertretern des LAK äußerte Michael Brinkmeier (MdL) recht klar und eindeutig die Position der CDU-Fraktion zum Thema Bürgerfunk. Trotz intensivster Bemühungen der Vertreter von Bürgerfunkspitzenorganisationen die Position des Bürgerfunks seriös darzustellen und zu verteidigen, die CDU bleibt bei ihrem restriktiven Kurs gegen den Bürgerfunk.

So soll die Sendezeit generell auf eine Radiostunde (52 Minuten) gekürzt und der Beginn landesweit vereinheitlicht werden; der wahrscheinlichste Starttermin ist wohl 21:00 Uhr. Lediglich für die Zielgruppe Jugendliche und Kinder soll es für das Wochenende bessere Konditionen geben.

Die CDU will noch in diesem Jahr die "kleine Novelle" des Landesmediengesetzes (LMG) schnell durch den Landtag bringen. In Kraft treten könnte sie dann zu Beginn des Jahres 2007. Unter Berücksichtigung von Übergangsfristen wäre dann Mitte 2007 mit der vollständigen Umsetzung der Novelle zu rechnen.
LAK-Mitglied Martin Wißmann (Bistumsstudio Bocholt) hat das Gespräch in einem Bericht zusammengefaßt. (siehe Weiterlesen)

CDU will profitableren Betrieb des NRW-Privatfunks

„Anders als die F.D.P. wollen wir die Bürgerfunker auch künftig senden lassen“, sagte Michael Brinkmeier, „aber es wird weniger Bürgerfunk sein: weniger Strecke und weniger Beiträge“. Beim Gespräch mit Hajo Mattheis, Jürgen Mickley und Martin Wißmann vom Landesarbeitskreis Qualitätsoffensive Bürgerfunk (LAK) machte der medienpolitische Sprecher die Position der CDU-Landtagsfraktion deutlich: „Wir legen den Schwerpunkt auf den Privatfunk“, man wolle die Weichen zu Gunsten eines wirtschaftlicheren Betriebs der Privatsender und von Radio NRW stellen.

Landesweit einheitlich täglich eine Stunde Bürgerfunk ab 20, 21 oder 22 Uhr

„Wir setzen uns ein für eine einheitliche Sendezeit für Bürgerfunk in ganz NRW, die sicher nicht um 18 oder 19 Uhr, aber auch nicht um 23 Uhr beginnen wird“, so Brinkmeier, der hervorhob, dass diese Aussagen noch unter dem Verhandlungsvorbehalt mit der F.D.P. stehen: „Die Befürchtung, dass es in allen Verbreitungsgebieten dann täglich nur noch eine Stunde Bürgerfunk gibt, ist recht nahe liegend. Wer auf zwei Stunden setzt, dem kann ich wenig Hoffnung machen, mehr als zwei Stunden Sendedauer sind erst recht nicht aufrecht zu erhalten“. Allerdings könne man sich vorstellen, am Wochenende tagsüber oder auch am Vorabend Bürgerfunksendezeiten vorzusehen, um Kindern und Jugendlichen bzw. Familien dieses Medium offen zu halten.

Ergänzender ‚Bürgerfunk’ via Internet

„Die veränderte Medienlandschaft ermöglicht heute, Gedankengänge auch über andere technische Wege zu verbreiten“, betonte Brinkmeier, „Partizipation an Medienwelt und Öffentlichkeit ist jetzt auch anders möglich.“ Damit verwies er nicht nur auf Podcasting und Blogging, es sei auch denkbar, Inhalte im Bürgerfunk nur anzuteasen und die ausführliche Information über webgestützte Medien zugänglich zu machen. Auf jeden Fall solle Bürgerfunk inhaltlich wie durch den Wohnort der Produzenten lokal im Verbreitungsgebiet verortet sein.

Offen in Sachen Bürgerfunkförderung

„Wir haben Sympathien für die Förderschwerpunkte Produktionshilfe, Qualifizierung und Projekte, wie sie die Landesanstalt für Medien (LfM) vorgeschlagen hat“, sagte Brinkmeier, betonte aber gleichzeitig, seine Partei sei bei diesem Thema noch nicht festgelegt. Dass Radiowerkstätten eine Planbarkeit der Finanzierung brauchen, erkannte er grundsätzlich an. Gleichzeitig stellte er klar: „Die Strategie bestimmt die Strukturen und nicht umgekehrt“ – und die Strategie der neuen Regierung sei eben anders als die ihrer Vorgängerin.

Gesetzesnovelle so schnell wie möglich

Die Landesregierung habe sich entschieden, vor allem die Themen Lokalfunk/ Bürgerfunk/ Medienrat/ Medienversammlung in einer vorgezogenen Novelle des Landesmediengesetzes (LMG) zügig abzuarbeiten, die große Reform des gesamten Landesmedienrechts werde erst danach angegangen, so Brinkmeier. Die kleine Novelle solle noch im Herbst in den Landtag eingebracht und wenn möglich mit erster Lesung, Anhörungen und zweiter Lesung noch in diesem Jahr bzw. zu Beginn von 2007 verabschiedet werden, damit sie zu Beginn oder im Laufe des ersten Halbjahrs in Praxis umgesetzt werden könne. Als nächstes werde eine Gesetzesvorlage formuliert (vom Team Brinkmeier/ Eiber/ Ridder/ Schick), diese werde dann in einem Spitzengespräch zwischen CDU und F.D.P. abgestimmt, danach ginge sie erneut in die Arbeitskreise der Parteien, um schließlich von beiden Fraktionen beschlossen und in den parlamentarischen Prozess gegeben zu werden. Wie viel von ihren Positionen die CDU angesichts der Tatsache, dass die F.D.P. den Bürgerfunk völlig in Frage stelle, durchsetzen könne, sei derzeit nicht absehbar.

CDU erfragt Wünsche der Bürgerfunker an das neue LMG

Brinkmeier rief die Bürgerfunkvertreter dazu auf, ihre Vorstellungen und Eckpunkte für die Gesetzesvorlage bis Ende Oktober zu formulieren, insbesondere bezüglich der künftigen Förderung und der diesbezüglich offenen Fragen sowie mit Blick auf die Frage, was im LMG und was durch LfM-Satzung geregelt werden sollte.

Argumente und Einwände der Bürgerfunker blieben folgenlos

Mit seinen Ausführungen war es Brinkmeier gelungen, die anwesenden LAK-Vertreter zu schockieren. Alle drei nutzten dennoch das Gespräch, um ausführlich die bereits mehrfach formulierten Positionen der Bürgerfunker darzulegen und auf die absehbar destruktiven Folgen von Sendezeitverlagerung und Sendevolumenreduzierung hinzuweisen. Brinkmeier machte den LAK-Vertretern allerdings wenig Hoffnung, hier noch Veränderungen bewirken zu können.

Kommentar (Vorsicht: Ironie!)

Schöne neue CDU-Medienwelt in NRW: Bürgerfunk zur besten Fernsehsendezeit, wobei kurze Teaser die wenigen Hörer auf die eigentlichen Inhalte verweisen, die im Internet zu finden sind. Das Gros der bisherigen, laut Volpers überwiegend gut arbeitenden Bürgerfunkgruppen gibt auf, weil die Sendeplätze unattraktiv sind, weil die Sendelängen zu kurz für die angemessene Präsentation von Inhalten sind und weil die Wartezeit auf einen Sendetermin zu lang ist. Bei der Bürgerfunkförderung wird kräftig gespart: Das erste Drittel wird gestrichen, weil die zweiten und weiteren Sendestunden in allen Sendegebieten entfallen; das zweite Drittel ist übrig, weil Musikanteile von Sendungen nicht länger förderfähig sind. Vom Rest fällt noch mal etliches weg, weil die Zahl der Radiowerkstätten schrumpft. Viele von ihnen schließen, weil ihre Träger einen Bürgerfunk ohne nennenswerte Hörerzahlen für überflüssig halten. Andere schaffen es nicht, die neuerdings vorgeschriebene Zertifizierung zu erhalten. Konsequenz: Die LfM schwimmt in Geld genauso wie die Lokalsender und Radio NRW, die jetzt ganze Heerscharen von Vermögens- und Steuerberatern beschäftigen, um ihre Einnahmen vor Abgaben und Steuern zu verbergen. Danke, CDU.

11.10.2006, Martin Wißmann (Bistumsstudio Bocholt)


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