30. April 2006

In Berlin unterwegs ...

Am nächsten Morgen ... Zwischen Helga und Herrn Peters, der uns nach Berlin gefahren hat, sehen Sie die zentrale Figur unserer dreistündigen Stadtrundfahrt - Herrn Peter Schefe. Der Stadtführer, der an jedem Touristengesicht die Sonne lächeln lässt. Sein Humorsinn und die Schlagfertigkeit und ... die 'Berliner Schnauze', die der geborene Hamburger gekonnt in die Szene setzt, garantieren, dass sich niemand auch nur einen Augenblick langweilen wird. Manche Zungen behaupten sogar, dass dieser Schauspieler die größte Sehenswürdigkeit des Tages war ...

Vom Hotel, das sich in der Nähe desGrüngürtels im Stadtteil Treptow befindet, starteten wir in Richtung Alexanderplatz. Unterwegs sahen wir die kilometerlangen Hafenanlagen von einst, die in den letzten Jahren zu Bürohaus-Komplexen wurden - die Schaubühne für den inoffiziellen Wettbewerb zwischen den modernen Architekten. Als ich hier vor drei Jahren vorbeifuhr, war noch alles eingerüstet und recht wild ...

In der Nähe der schön restaurierten Oberbaumbrücke (faszinierende Details in der Wiki) schauten wir uns den Molecule Man - drei Menschenkonturen aus gelochten Aluminiumplatten. Die Löcher stellen die Moleküle dar und sollen erinnern, dass sowohl der Mensch als auch die Moleküle in einer Welt der Wahrscheinlichkeit existieren und das Ziel aller kreativen und geistigen Traditionen ist, Ganzheit und Einheit innerhalb der Welt zu finden. Diese (esoterische?) Interpretation kommt vom Vater der Kerle, dem amerikanischen Bildhauer Jonathan Borofsky. Die drei Riesen begegnen sich genau dort, wo drei Stadtbezirke zusammentreffen, nicht weit entfernt von dem Treptower (Englisch auszusprechen), wo Allianz AG residiert - sie hat ihnen das Treffen hier ermöglicht.

Der Berliner Volksmund definierte die Löcher anders als der Künstler und nennt das Momumentalwerk Dreikäsehoch ...

Im Zentrum werfen wir einen fernen Blick (mehr ist nicht drin, wenn man eine Stadtrundfahrt mache) auf die Wiege der deutschen Hauptstadt - das Nikolaiviertel, benannt nach der ältesten Kirche Berlins aus dem 14. Jahrhundert (nur die Turmzwillinge sind von viel später). Die älteste Ansiedlung wurde im letzten Krieg weitgehend zerstört, aber im Kontext der 750-Jahr-Feier Berlins nach dem Vorbild historischer Häuser neu aufgebaut oder halt nachempfunden.

Nikolai-Viertel ist reine Fußgängerzone (für Touristen und Gastronomiegäste), die ich erst am späten Nachmittag mir näher anschauen konnte.

Das Rote Rathaus am Alexanderplatz ist der direkte Nachbar des Nikolaiviertels. Der Berliner Bürgermeister amtiert hier. Zu seiner Linken schließt den weitläufigen Platz eine Ruine - Palast der Republik (ein Tränchen tanzt im Augeneck: So viele schöne Abende hier verbracht ...) mit dem Denkmal der Urväter der sozialistischen Ära. Die beiden wiederum schauen (entsetzt?) zu dem himmelstürmenden Fernssehturm gegenüber, welcher die zweitälteste Kirche Berlins um mehrfaches überragt.

Am Nachmittag erkundete ich die Gegend im Alleingang und fragte zwei Polizisten am Haupteingang vom Roten Rathaus, wie der Berliner Volksmund den Turm nenne, denn ich habe inzwischen die Erklärung des Stadtführers vergessen (er nannte Honeckers Dom - wegen des kreuzartigen Sonnenlichtreflexes auf der Metallkugel). Ein Polizist zuckte nur müde mit den Schultern: - Fernsehturm. Da war nichts mehr. Fast gleichzeitig kam aber auch die Antwort von dem Anderen -Telespargel - der seinen Kollegen verwundert anschaute, dass er das nicht wisse. Der weitere Gesprächsverlauf machte unterschiedlichen Volksmund der Ost- und Westberliner offensichtlich ...

Nur ein kleiner Blick auf die Einkaufsparadiese hinter den sanierten Fassaden der einstigen Plattenbauten gegenüber dem Roten Rathaus, die den Alexanderplatz im Norden schließen. Das Foto konnte ich erst am Nachmittag knipsen - bis dahin habe ich bereits mehrfach bestätigt gesehen, dass der öffentliche Sektor der neuen Hauptstadt vom Geist des Wintergartens durchwebt ist - hektarweise Paradiese unter Glashimmeln ...

Zurück zur Stadtrundfahrt. Durch verschiedene Straßenbaustellen behindert kurvten wir eine Zeitlang im Scheunenviertel, das heute von dem märchenhaften Synagogeturm überragt wird, welcher den starken Glauben der jüdischen Viertelbewohner anpreisen wollte und das Elend in dieser Gegend in seinen Schatten stellte.

Auch die Sanierung der unzähligen Hinterhöfe in der dichtest bewohnten Stadtmitte schuf so manche Kostbarkeiten. Die Hackeschen Höfe sind das bekannteste Beispiel, das sowohl von Touristen als auch von Berlinern gern aufgesucht wird, denn es bietet viel Raum für Gastronomie, Unterhaltung, Kleingewerbe und Handwerksgeschäfte.

Der Komplex war bereits zu seiner Entstehungsstund' vor über 100 Jahren bekannt - zum ersten Mal hat man hier ein harmonisches Ensemble von Wohn- und Gewerbehöfen geschaffen, wo sogar an Räume für Vereinsveranstaltungen und große Familienfeste gedacht wurde.

Vollständigkeitshalber schiebe ich hier meine Fotos vom Nachmittag dazwischen, die den Eindruck vom Innenleben der Höfe vermitteln. Unser Bus huschte nämlich nur an der Außenfassade entlang und eilte den touristischen Triumphkarten entgegen ...

Am Gendarmenmarkt machten wir halt. Als der schönste Platz in Berlin wird er besungen. Friedrich Schiller vor dem Konzerthaus (einst Königliches Schauspielhaus gebaut von unserem C.F. Schinkel) hat den Deutschen Dom zu seiner Rechten und den fast identisch gebauten Französischen Dom zu seiner Linken. Dieser Platz wurde Ende 17. Jh.s angelegt, als eine große Anzahl französischer Hugenotten sich in diesem Viertel ansiedelte, denen der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg mit dem Edikt von Potsdam im Jahre 1685 den Schutz ihrer religiösen Freiheit und volles Bürgerrecht zugesichert hatte.

17-Örtchen

Eine kleine Oase für Touristen, die busweise dem Gendarmenmarkt zustreben. Die ursprüngliche Herrenanstalt wurde außen schön saniert, innen modernisiert und empfängt nunmehr beide Geschlechter. Achtung - überschätzen Sie nicht den Schutz - Sie bleiben immer noch an der frischen Luft ...

Die nächsten Sehenswürdigkeiten en passant ... Die weltberühmte Museumsinsel nahe der Unter den Linden-Achse und später der wunderschön renovierte Martin-Gropius-Bau in Kreuzberg. Sie hier näher zu beschreiben, würde den Bericht- Rahmen sprengen - schauen Sie in der Wikipedia nach ...

Der Museumskomplex brauche bestimmt keine weitere Werbung. Den Martin-Gropius-Bau will ich aber herzlichst empfehlen. Räume des einstigen Kunstgewerbe-Museums beherbergen große temporäre - oft einmalige - Ausstellungen. Extra wegen der chinesischen Ausstellung der sagenhaften Bilder-Geschichtsbücher auf Pergamentrollen eilte ich vor Jahren nach Berlin - in das Haus direkt an der Mauer und mochte es bis zur Abendschließung nicht verlassen.

Links das 'Weiße Haus' der deutschen Regierung, rechts Schloss Bellevue, wo der Bundespräsident residiert. Ob er im Amte sei, sehe man an der Fahne auf dem Dach - wenn sie fehle, sei er privat verreist oder halt krankgeschrieben.

Der passende Spruch der Berliner Schnauze: Ist der Lappen drof, sind die Lumpen drin ... - das derbe Wortspiel wurde bereits vor Jahren kreiert und schert sich nicht um die Wechsel im Amte.

Drei Stunden in Berlin sind doch ein Augenblick nur ... Wir huschen an der Gedächtniskirche vorbei, an den 'tanzenden Spaghetti' und verabschieden uns von unserem Stadtführer. Wie Schade ... - folgen ihm viele Seufzer - Er macht es einfach toll.

Ich war noch schlagfertig genug, um nach der Visitenkarte von Herrn Schefe zu fragen. Wer also ihm begegnen möchte, könne ihn unter der folgenden Nummer engagieren: 0172 - 472 88 46.

Und wer mehr über die Berliner Schnauze erfahren möchte, dem empfehle ich das Büchlein von Luise Lemke:

Ein Berlin-Schmunzerl dazu ...

Unser Mittagessen in einer urigen Gaststätte Meinecke - nahe Kurfürstendamm. Leider haben wir nicht daran gedacht, ein Einheitsmenü vorab zu bestellen und mussten dafür ein hohes Zoll an Zeit entrichten. Das Essen war aber exzellent!

Nach dem Essen ging jeder eigene Wege. Mila zum Beispiel wollte unbedingt das neue Jüdische Museum sehen, das im Fernsehen hoch gepriesen wurde - und sie wurde nicht enttäuscht. Das notierte ich mir für meinen nächsten Berlinbesuch.

Die Gruppe um Fredo und Herrn Hilgert steuerte den Potsdamer Platz an und genoss die Geselligkeit des Lichthofes im Sony-Center.

Anschließend ging's nach oben ... Die Aussichtsplattform, die das Herz eines Fotografen auf Hochtouren bringt. Der erste Ausblick über das Sony-Zeltdach hinweg streift die Weite des Englischen Gartens und bietet noch das Haus der Kulturen in der 'Schwangeren Auster' dazu. Vorne rechts: der DB-Turm.

Der Reichstag lässt grüßen ... Eigentlich wollten wir alle hin, aber gestern hat es der Regen vereitelt und heute sahen wir aus dem Busfenster eine doppelte Warteschlange - halt Pech gehabt.

Der herrliche Weitblick, der die vielen Einzelerlebnisse des Tages ordnet. Ach, da ist es ..!?!

Auffällig ist natürlich die momentane Dekoration des Fernsehturms. Dem Fussballfest der deutschen Nation kann man nirgendwo entkommen.

Ein anderes Element dieser Aktion sehen Sie auf dem Foto oben - die gigantische Aspirintablette neben dem Reichstag. In der ganzen Stadt fanden wir solche Denkmäler deutscher Innovationkraft - allesamt als großdimensionierter Plastikabguss. Mal war es ein Autogigant hinter dem Brandenburger Tor, mal lag ein Addidas-Schuh auf den Spreewiesen im Regierungsviertel, mal ein gigantischer Bücherstapel vor der Opera. Die WM-Gäste aus aller Welt können so ihren Blickwinkel erweitern.

Voilà ein Zeugnis der innigen Beziehung zwischen Herrn Hilgert und der Berliner Philharmonie - (Circus Karajani im Berliner Volksmund). Seine Foto-CD enthält Zig weitere Foto-Dokumente. Der Fotograph konnte es kaum fassen, was aus dem architektonischen Wunder in der einstigen Wüste des nicht bebauten Potsdamer Platzes geworden ist. Ver-schwun-den! Einfach verschwunden! Unglaublich! Dabei ist es so einmalig, egal von welcher Seite man das Konzerthaus anschaue...

Diese Fotos lassen uns einen weiten Sprung ins Nikolaiviertel vollbringen. Dort suchte ich nämlich das Museum des berühmten Zeichners auf, der wie kein anderer verstand, das 'Gesicht der Straße' zu seiner Zeit in Linien zu fangen.

 

Danach war ich reif - meine brennenden Füße erlaubten mir nur noch den kürzesten Weg zur S-Bahn, die mich ins Hotel brachte. Im Foyer saßen dann die nach und nach eintreffenden DFG-Wanderer am Gläschen Wein und hatten keine Wünsche mehr offen.

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PS. Fotos mancher Sehenswürdigkeiten entnahm ich einer amerikanischen Internetseite, auf der sich der Fotograf zwar zeigt (Foto 4 dort: Me) aber nicht mit Namen nennt.

 

Der nächste Tag galt Potsdam. Die Fotos im Schlosspark und später in der Altstadt finden Sie auf der nächsten Seite. Dort erwartet Sie auch ... ein Reisebericht in Versen von Christine Laurenz und die versprochene Porträt-Ausstellung von Herrn Hilgert.

- Alina Köttgen -