Mit dieser Prognose für das Wetter in Orléans im Gepäck machte sich die DFG auf den Weg nach Frankreich. Tatsächlich geregnet hat es aber nur bei der Abfahrt in Münster... danach wurde der Wasserhahn im Himmel zugedreht und wir konnten die ganze Reise trocken absolvieren und uns oft am Sonnenschein erfreuen. Wenn die Engel ..?

Die patente Busfahrerin servierte uns Kaffee und den berühmten Hefezopf als zweites Frühstück und nun konnten wir sitzreihen-übergreifende Kontakte knüpfen. Außer 11 DFG-Mitgliedern kamen vier Personen von dem Künstlerverein pArt 96 und fünf weitere Personen mit, die entweder mit der DFG befreundet sind oder sich auf unsere Annonce in der Zeitung gemeldet haben. Über die Hälfte der Reiseteilnehmer war noch nie in Orléans.

Im Bus gab es reichlich Zeit, um ein wenig Information über die Partnerstadt und über unsere Schwesterorganisation Association Franco-Allemande Orléans zu streuen, deren 20-jähriges Jubiläum den Hauptanlass für diese Reise bildete. Danach hat Helga zur allgemeinen Erheiterung einen Text vorgelesen, in dem die Anhaftung an nationale Stereotypen aufs Korn genommen wurde. Nicht wenig Zeit wurde auch der Übung unserer Singstimme gewidmet. Dies erfolgte, um die von Danièle Perrault (Präsidentin der A.F.A.) zugewiesene Hausaufgabe zu meistern. Allerdings ... ohne die Liedmelodie zu kennen, übten wir den französischen Vierzeiler über Orléans zur Melodie von Frère Jacques ..., was unsere Lachmuskeln sehr beansprucht hatte. Unsere Singlaune hat aber darunter nicht gelitten - bis auf Weihnachstlieder hat unser deutsch-französisches Repertoire so ziemlich alles berücksichtigt.

 

Orléans errreichten wir ziemlich pünktlich und wurden um 18.15 Uhr vor dem Jackotel am Place Saint Aignan von mehreren Franzosen begrüßt, die ihre bei ihnen untergebrachten Gäste abholten - wer öfter in Orleans weilte, ist nicht mehr auf Hotels angewiesen ... Allzu viel Zeit gab es für die Begrüßung nicht, denn bereits um 19.30 sollte ja das große Jubiläumsfest in der entfernten Salle de la Cigogne beginnen. Da meine Gastgeber nach herzlichem Bisou! Bisou! mit meinem Gepäck nach Hause am Stadtrand wegfuhren, wurde ich - mit Mila und Helmut - von Paul Hummel zu dem Festsaal gefahren. (Unterwegs bewunderten wir einen wahrlich festlichen Sonnenuntertgang und ...haben sogar noch eine kleine Besichtigungseinlage am Ufer der Loire absolviert, wo einst die Brücke den Fluss umspannte, über die Jeanne d'Arc in die 'ent'-lagerte Stadt gelang.)

Das Foto zeigt den Ort des Fest-Geschehens - ich habe allerdings erst am nächsten Tag fotografieren können, denn meine Kamera ist leider in meinem Gepäck nach St. Hilaire gefahren ... Da aber mehrere Anwesende ihre Kameras dabei hatten, hoffe ich innig, meinen Bericht später mit ihren Fotos illustrieren zu können ...

 

Und nun zur Sache. Das Gebäude links birgt einen großen Veranstaltungssaal mit Bühne und einer Küche im Hintergrund. Bereits im Eingangsbereich hingen Listen mit sorgfältig vorbereiteter Tischordnung aus, damit sich kein Gast verloren fühle ... und damit man nicht unter sich hängen bleibe. An jedem der vielen Tische gab es also zumindest einen A.F.A.-Betreuer, Gäste aus Münster und Orléans. Soweit so gut. Das unvergessliche Abenteuer hing bereits in der Luft des kerzenbeleuchteten Raums ... - aber langsam, der Reihe nach.

Achtzig Gäste drängten sich auf dem Parkett, nippten Sekt oder Sangria ohne Alkohol und knabberten die auf Tabletts herumgereichten Blätterteig-Häppchen ... und warteten, warteten, warteten. Das Warten war durchaus nicht unangenehm. Im Stehen konnte man so herrlich viele Personen ansprechen! Säßen wir gleich brav an zugewiesenen Tischen, könnte ich mich nicht mit halb so vielen Menschen unterhalten, das ist klar. Irgendwann drang zu mir durch, dass die Teelichter auf den Tischen zu einer nicht beabsichtigten Notlösung wurden ... das Haus hatte ausnahmsweise keinen Kontakt zum E-Werk. Mit verheerenden Folgen, denn außer der Saalbeleuchtung waren sowohl die Küche als auch die Musikanlage auf Strom angewiesen ... Die Hintergrundhelfer kamen ins Rotieren, ohne zunächst Erfolg zu ernten. Die Gäste wurden also gebeten, an ihren Tischen Platz zu nehmen. Die kalte Vorspeise mit herrlicher Pastete zu blättrig geschnittenem Blumenkohl brauchte ja keinen Strom - Gottseidank! seufzte Danièle, der die Panne arg zusetzte; als wenn der Vorbereitungsstress nicht schon genug wäre(!). Während ich die Unterhaltung in meiner Tischrunde mit Dominique und Gilbert Montant genoß (Dank auch an Fredo und Jürgen, die ihr Bestes boten, um das Lachen nicht verstummen zu lassen!), gaben die Organisatoren auf, das Elektro-Problem selbst zu lösen und riefen den Stadtnotdienst an, der einen Stadtelektriker herbeischickte. Dieser stellte fest, dass die Panne ... im Schaltkasten des verschlossenen Nebengebäudes (städtische Kinderkrippe) entstand und rief die Polizei an. Hilfsbereite Polizei erschien tatsächlich - mit größerer Anzahl von Schlüsseln, von denen aber keiner der richtige war. Im Saal wurde inzwischen der zweite Gang der kalten Vorspeise angeboten ... - und ich ließ mir noch eine terrine de campagne et chou-fleur cru à la crème nicht entgehen. Nach dem zweiten Anlauf ohne richtigen Schlüssel beschlossen die Polizisten, das Schloss nicht mehr zu beachten und durch ein Türfenster ins Haus zu gelangen. Was tut man nicht für die deutsch-französische Freundschaft ... Sie ahnten nicht, welch eine Feldübung auf sie zukomme; das Panzerglas höhnte lange ihren Bemühungen, also musste eine Brechstange her ...

... damit die widerspenstige Fensterscheibe schließlich nachgab und ein Polizist - beim Eindringen an Glasscherben sich verletzend - die Barrikade forcieren konnte. Es ging gerade auf 22 Uhr zu, als der Elektriker die nötigen Weichen neu stellte. Deutsche Gäste entlang der Fensterwand verfolgten erstaunt das ganze Geschehen und konnten kaum ihren Augen trauen - Es heißt zwar so schön: Polizei dein Freund und Helfer ... Ob aber unsere Polizei es übers Herz brächte, fremde Fenster einzuschlagen, weil eine Feier ...?

 

Das große Licht im Saal entlockte jeder Kehle ein langgedehntes Aaaaa! Nun konnte Danièle zum Mikro greifen und das offizielle Programm begann.

Über die 20-jährige Geschichte der Association Franco-Allemande Orléans wurde nicht viel erzählt, wohl aber die Gründerin und erste Präsidentin Frau Annick Faure sowie ihre Nachfolgerin Karin Menu gewürdigt und vorgestellt. (Alle drei Vorsitzenden sehen Sie auf dem großen Foto weiter unten - sie sitzen am ersten Tisch, rechts.)

Kurz danach ertönte Musik und eine junge Chanson-Sängerin, Valérie Jammes präsentierte eine Auswahl an deutschen Liedern - ein ambitionierter Streifzug, durch Epochen und Genre's. Die zweisprachig aufgewachsene Orléanerin(?) - seit 12 Jahren in Essen zu Hause - moderierte ihr Programm locker in beiden Sprachen und ließ uns ab und zu mitsingen - so war der Abendvorspann schnell vergessen. (Übrigens, Valèrie Jammes ist Tochter der zweiten Vorsitzenden der AFA Orléans ...)

 

Inzwischen haben Danièle's Freunde von dem A.B.C.D.-Verein, die für das Abendmenu zuständig waren, das wohltemperierte Hauptgericht, Boeuf bourguignon und den Käse serviert. Dieses Menü wurde durch Vins de l'Orléanais begleitet. Zum Dessert wurde ein Riesenbüfett mit von A.F.A.-Mitgliedern gebackenen deutschen Kuchen aufgebaut. Meine doppelt genossene Vorspeise hat natürlich Großsprünge beim Dessert vereitelt ... aber für eine, - und dann noch eine Scheibe von der traumhaft aromatischen Bisquitrolle mit Birnenkonfitüre fand sich doch noch eine Ecke im Magen.

Nach dem Dessert verabschiedeten sich die meisten Gäste gleich und der Saal leerte sich binnen weniger Minuten. Ich trauerte zwar ein bisschen dem ausgefallenen Tanzen nach; als ich aber um ein Uhr ins Bett fiel, merkte ich, dass der Tag mehr als genug geboten hatte ... Wie gut, dass ich ausschlafen konnte.

Sonntag, der 2. Oktober 2005

Den Sonntag verbrachte ich mit meinen Gastgebern, was meinem Französisch zugute kam. Andere Reiseteilnehmer gingen am Vormittag mit Helga durch die Altstadt spazieren.

 

Am Nachmittag fand das Stadtspiel statt. Danièle hat mehrere Kleingruppen mit einem anspruchsvollen - wie man später feststellte - Fragebogen in französischer Sprache auf Entdeckungstour losgeschickt - gelebte Landeskunde à la française.

Da einige Gäste der fremden Sprache gar nicht mächtig waren, erbot sich Danièle als Stadtführerin an und ging mit ihnen dieselbe Entdeckungs-Strecke ab. Dies erforderte ein wenig Vorsicht, wenn die Spieler mal am selben Ort auftauchten und ihre Ohren diskret spitzten ...

Das am nächsten Tag bekannt gegebene Spielergebnis vorwegnehmend ... die höchste Punktzahl erreichten Ingrid und Helmut, wofür sie den Preis in Form von einem Buch über Loire-Schlösser und einer Flasche Vouvray (Loire-Sekt) erhalten haben. Bravo für die Könner!

Und auf unserer Seite Orléans à la Jumelle können Sie demnächst nachlesen, was der Fragebogen den Spielern abverlangte ...

Um 18 Uhr trafen sich alle wieder in Salle de la Cigogne. Endlich konnte ich den Ort fotografieren. Der Hausmeister war gerade dabei, das Loch in der Tür des Nebengebäudes mit einem Holzbrett dicht zu machen ... Im Festsaal standen diesmal nur halb so viele Tische, die sich langsam mit den nach und nach eintrudelnden Gästen füllten.

Es bildeten sich gemütliche Gesprächsrunden. Man tauschte sich über die Ereignisse des Tages aus und lachte über das gestrige Abenteuer.

Inzwischen wurde alles für die geplante Dégustation de bières et vins allemands vorbereitet. Damit die angebotenen Promille nicht so leichtes Spiel haben, wurden Teller mit kleinen Häppchen gereicht und immer wieder nachgefüllt - DANK an die stillen Helfer von A.B.C.D. im Hintergrund !

 

Den deutschen Weißwein repräsentierten in Orléans:

Als Bilanz kann ich nur sagen - nicht repräsentativ aber vertrauenswürdig - dass der Niersteiner Klostergarten die höchste Anerkennung bei französischen Gästen fand. Mein eigenes Urteil bleibt aus, weil ich keinen Alkohol trinke.

Was die Bier-Parade angeht: Krombacher, Pinkus Alt und Paulaner Oktoberfest. Diese Reihenfolge dürfte wohl auch der Rangfolge im Gaumen vieler Gäste entsprechen. Unbestritten bleibt die Tatsache, dass Pinkus Alt von vielen gelobt aber Oktoberfest am meisten getrunken wurde... Mit diesem Ranking greife ich natürlich dem Ergebnis eines langen Abends vor - aber so kann ich die anderen Aspekte der Begegnung 'geschmeidiger' darstellen.

Apero-Dégustation wurde nun eröffnet. Beim Gläschen wird die Zunge locker und Hürden der Fremdsprache sind immer leichter zu bewältigen.

Und nun das Kultur-Programm: Alexandre L'Agodas et son orgue de Barbarie. Der französische Sänger, der sich als colporteur de rêves ansieht, sang viele anspruchsvolle Lieder und die Drehorgel legte einen herrlichen Klangteppich unter seine raue Stimme. Les grands succès de la poésie de trottoir, wie der Maestro meinte, füllten den Saal zwischen den Weinprobe-Gängen.

 

Der Entertainer verstand es prächtig, die ganze Aufmerksamkeit des Publikums für sein Klanguniversum zu gewinnen und vom Glas und von den Tischen zu lösen...

Bald hatte er alle um sich stehen, lauschen, lernen und sein Lied begleiten ...

Accordez, accordez, accordez donc l'aumône à l'accordé ... l'accordéoooon !

Mit Hilfe von Danièle, die uns seine Worte übersetzte, erzählte er seinen Weg zu dem sonderbaren Instrument, erklärte dessen Funktionsweise und zeigte sehr anschaulich, wie kleine, eckige Löcher im gefalteten Pappkarton zu Klängen werden.

Und ... zu guter Letzt wurden Texthefte verteilt, damit alle mitsingen können. Alle hieß in diesem Falle, alle Franzosen, denn es handelte sich um Lieder, die der deutschen Seite eher unbekannt waren. Aber schön war es trotzdem mitzuerleben, wie die Gastgeber von der gesungenen Poesie hingerissen werden, wenn im Saal die Sehnsucht vibriert: Emmenez-moi au bout de la terre, emmenez-moi au pays des merveilles. Il me semble que la misère serait moins pénible au soleil...

 

Der Abend endetete mit gemeisamer Aufräumaktion - der Raum sollte keine Spuren unseren 2-Tage-Festes aufweisen. Männer ließen das ganze Mobiliar im Nebenraum verschwinden, deutsche Plakate an den Wänden wurden sorgfältig für nächste Aktionen eingesammelt, Blumensträuße und alles, was vom Kuchen-Bufett übrig blieb, den Gästen mit nach Hause gegeben. Adieu Salle de la Cigogne! Morgen Abend geht's im Maison des Associations weiter, dort - wo sich die A.F.A. für gewöhnlich für ihre Soirées thèmatiques einfindet ...