Redebeitrag Werner Kuhn, Karsamstag 2004 (Friedensfest Münster)

Liebe Freundinnen und Freunde!

Es gibt politische Fehlentwicklungen denen niemand tatenlos zusehen dürfte. Denn früher oder später ist jeder - in irgendeiner Form - Opfer dieser Politik. Und deshalb ist es gut, dass wir heute hier sind, - auch wenn unsere Unterstützung noch nicht so groß ist, wie sie sein müsste. Das aktuell Gefährlichste sind zur Zeit die deutschen Militärinterventionen in aller Welt, - die auch bei uns irgendwann Terror, - als Gegenreaktion - zur Folge haben werden.

Das sollte auf keinen Fall in Vergessenheit geraten!

Die Anschläge von Madrid und die Geiselnahmen im Irak sollten uns da eine Warnung sein. Wer das weltweite US-Vormachtstreben weiter (und sogar militärisch) unterstützt, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Unsere Massenmedien und "Sicherheitsexperten" bereiten uns ja auch schon langsam darauf vor, indem sie uns auf die Schwierigkeiten der Terrorverhinderung hinweisen.

Hier muss darum wesentlich mehr Aufklärung über die wirtschaftlichen und machtpolitischen Hintergründe dieser sogenannten Terrorbekämpfung erfolgen, damit diese neue Form der Kolonialpolitik nicht zum Gewohnheitsrecht militärisch und wirtschaftlich überlegener Staaten wird.

Wie wenig allerdings diese militärische Überlegenheit noch dazu taugt, den eigenen Machtbereich zu vergrößern, zeigt sich den USA jetzt im Irak.

Die Ausbeutung und Fremdbestimmung anderer Völker wird immer riskanter. Und wir sollten es entschieden ablehnen, irgendwo In der Weit Hilfssheriff der USA zu sein!

Eine andere aber langfristig nicht weniger gefährliche Entwicklung liegt in der geplanten EU-Verfassung, die sich den US-Politikstil zum Vorbild nimmt und möglichst unbemerkt die nationalen Gesetze ablösen soll. Während man ein Amt für Wirtschaftsförderung, Soziales, Gesundheit, zivile Krisenprävention oder anderes Sinnvolle vergeblich in der EU-Verfassung sucht, soll im Artikel 40 Absatz 3 festgelegt werden: "Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Aufrüstung wird damit zum Verfassungsgebot! (und einklagbares Grundrecht der Rüstungsindustrie.) Und um dieses neue Wettrüsten auch zu garantieren, wird gleich ein europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern.

Zugleich ist auch eine Entmachtung der nationalen Parlamente vorgesehen:

Denn Artikel 40 Absatz 4 legt fest: "Über militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat". Die vom deutschen Bundesverfassungsgericht geforderte Zustimmung des Parlaments zu jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr soll damit offenbar umgangen werden.

Absatz 8 der EU-Verfassung schreibt nur noch vor, dass "das Parlament zu den wichtigsten Aspekten zu hören sei".

Jetzt soll offenbar die schon 1995 von Ex-Verteidigungsminister Rühe ausgeplauderte EU-Strategie realisiert werden, die da lautet:

" Auf längere Sicht müsse der NATO-Vertrag gekündigt und durch eine neue vertragliche Bindung zwischen der EU und Nordamerika ersetzt werden. Weltweit müsse das Verhältnis Europas zu Amerika von Gleichrangigkeit bestimmt sein, die EU als globaler Akteur auftreten und strategisch neben Amerika handlungsfähig werden." Ein militärpolitischer Größenwahn, der mehr und mehr politikbestimmend wird.

Und der zu weiterer Staatsverschuldung und Sozialabbau führen muss.

Dabei hat schon die 1950 begonnene Wiederaufrüstung Deutschlands zur heutigen finanziellen Handlungsunfähigkeit unseres Landes geführt.

Aber nichts wird so sorgfältig verschwiegen wie die Tatsache, dass der heutige Sozialabbau seine Ursache im Wettrüsten der Vergangenheit hat.

Wer weiß denn schon, dass unsere sogenannten Realpolitikern in der Alt - BRD bis 1989 "wegen der größer gewordenen Verantwortung in der Welt" fast 1 Billion DM Staatsschulden gemacht hatten, um wieder ein dieser Verantwortung" entsprechendes Militärpotential zu erreichen.

Die Mehrzahl unserer Volksvertreter hatte keine Bedenken sich dafür massiv zu verschulden. Und die heutigen Klagen über die Staatsverschuldung sind pure Heuchelei. Denn auch im vergangenen Jahr war Geld genug da, um für 41,3 Mrd. Euro neue Rüstungsvorhaben zu beschließen.

Aber da ein Sozialprodukt nur einmal ausgegeben werden kann, muss natürlich, - da ja auch die Zinsen für diese zusätzliche Verschuldung noch bezahlt werden müssen, - an anderer Stelle massiv gespart werden. Und damit sind wir dann wieder bei dem, was ich eingangs gesagt habe:

Früher oder später sind wir alle Opfer dieser falschen Politik!

Wenn es nicht gelingt, diese ungeheuere Geldverschwendung für das Militär zu beenden, sind ständige Kriege, soziale Unruhen und der Staatsbankrott unvermeidlich.

Nach den Kommunisten sind nun Fundamentalisten und Terroristen der Grund, um den militärischindustriellen Komplex am Leben zu erhalten.

Wie recht die Militärkritiker und Ostermarschierer mit der Eigendynamik dieses Systems hatten, wird erst heute so recht deutlich. Es geht nicht um Demokratie, Freiheit, Menschenrechte oder Landesverteidigung. Es geht um die Etablierung eines Militärstaates EU in Konkurrenz zu den USA.

Wir brauchen deshalb ein ziviles Europa, wenn nicht Dauerkriege und Terror unser Alltag werden soll!