Pressebericht

BEUYS-SYMPOSION
in ACHBERG, Mai 2003 - die erste Großveranstaltung zur Sozialen Plastik in der kulturellen Provinz - ein mutmachender, befeuernder Aufbruch!

Rainer Rappmann

Während vier Tagen fand am letzten verlängerten Wochenende das sechste Beuys-Symposion in der Gemeinde Achberg statt. Dort, wo die Ausläufer des Westallgäu in die Hügel des Bodenseehinterlandes übergehen und wo einer der ganz großen deutschen Künstler, Joseph Beuys. in den 70er und 80er Jahren geistige Impulse empfing und hineintrug, dort tagte während vier Tagen das Beuys-Symposion unter dem Thema ..Pädagogik - Therapie - Heilung". Ein junger Verein (zur Förderung des Erweiterten Kunstbegriffs und der Sozialen Plastik) hatte die Tagung während ein einhalb Jahren vorbereitet und durchgeführt, war jedoch auch zunehmend von weiteren regionalen Kräften, w ie der Gemeinde Achberg, dem Kulturamt des Landkreises Ravensburg und dem Humboldt-Haus tatkräftig unterstützt worden.

Die Erwartungen waren groß und wurden nach Aussagen von Teilnehmern übertroffen. Schließlich kamen 300 Menschen aus allen Herren Ländern bis Skandinavien ins Dreiländereck zum östlichen Bodenseeufer. Bestimmte Einzelveranstaltungen, wie die des Jugendtherapeuten Henning Köhler, wiesen sogar zwischen 400 und 450 Besucher auf.

Ein umfangreiches Vortrags- und Seminarprogramm hielt die Teilnehmer fast rund um die Uhr auf Trapp. Da gab es vor allem die vielen Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen. Aber auch Seminare und praktische Übungen bereicherten den Kongreß. Schließlich entwickelte sich die Tagung zu einem großen Event mit Festivalcharakter. So wurde durchgehend am Erdofen von Mario Ohno (Nür-tigen) gefeuert und gekocht als auch arbeitete eine Gruppe fleißiger Menschen im Argenbruch. um einen abgerutschten Hang und einen Weg im Argenthal neu zu befestigen und wieder gangbar zu machen (Uwe Claus, Todtmoos und Dr. Aschauer, Bürgermeister Achberg).

Zu den Ergebnissen des Symposions zählt die durchaus nicht selbstverständliche Einsicht, daß die Kunst- und Lebensleistung von Joseph Beuys so reichhaltig ist, daß sie noch lange nicht ausgeschöpft ist. Vor allem die Pädagogen erhielten wichtige Hinweise für ihre tägliche und zukunftsentscheidende Arbeit. Der Bogen wurde geschlagen von den Gralssuchern des Mittelalters (Karlheinz Tritschler, Weimar) bis hin zu einer zukünftigen Aufgabe einer Sozialen Plastik (Johannes Stüttgen, Düsseldorf), in der alle Menschen ihren Platz haben und ihren selbstverantwortlichen Beitrag zur Gemeinschaft beitragen können. Wertvolle Anregungen gaben die Leiter/innen von Freien Schulen, die aus dem Beuys-Impuls gegründet worden sind, wie etwas Vera Kamaryt von der „Berliner Schule für Bühnenkunst", Karin Genoux von der „Freien Kunstschule Hamburg (FIU)" oder Gisela und Stephan Stüttgen von der „Kleinen Welt" in Düsseldorf.

Mutmachend waren aber auch die vielen kleinen Ansätze, den Erweiterten Kunstbegriff in eine Handlungspraxis des Alltags einfließen zu lassen, so diejenige des Stuttgarter Landschaftsingenieurs Johannes Steiner, der, ausgehend von der großen ökologischen Beuys-Aktion in Kassel „7000 Eichen" selbst wiederum deren Eicheln sammelt, um das ..Projekt Eichenfeld - Erste nachwachsende Generation" zu starten und Baumpaten für die Setzlinge zu suchen. So fand der Kongreß am Sonntagmittag mit einem Spaziergang im Argenthal seinen würdigen Abschluß. Allseitig wurde der Wunsch nach Fortsetzung ausgesprochen. Die aber steht noch in den Sternen; denn zuerst einmal muß dieses Symposion verarbeitet werden. So war ja durchaus eine Entwicklung bei den Beuys-Tagungen zu beobachten, die man vielleicht unter dem Motto „von der (Kunst-) Theorie in die Praxis des alltäglichen Handelns" charakterisieren könnte. Nicht zuletzt dieser Wandel trug dazu bei, daß sich über die Hälfte der Teilnehmer in ihren 20-er Jahren befand. Gerade diese Generation konnte Beuys gar nicht mehr leibhaftig erleben. Und sie ist es doch, auf die alles und so vieles in der nächsten Zeit an- und zukommt. Das Symposion bot reiche Erfahrung, wie sich ein neuer Jugendimpuls artikulierte, der eine Entsprechung aufweist zu früheren Jugendbewegungen vor allem des frühen 20. Jahrhunderts, wie etwa der des Wandervogels. Beuys in seinem intuitiven, vorausschauenden auf den (Kunst)begriff gebrachten Lebenswerk kann gerade dieser neuen Generation in einer immer unübersichtlicher und willkürlicher werdenden Zeit eine Orientierungshilfe und ein Wegweiser sein.

Info über: Claudia Müller & Rainer Rappmann, Wangen/Allgäu, internet: www.fiu-verlag.com .