Forschungsstelle Für Gestaltung


Stiftung Neue Energie

Intemet: http://www.oneworldweb.de/schoenau/

Modellprojekt einer konsequenten Energiewendepolitik

In Schönau beginnt der Ausstieg aus der Atomenergie

 

Tschernobyl hat uns alle betroffen. 10 Jahre danach bietet sich in dem Ort Schönau im Schwarzwald die einmalige Gelegenheit, den Schritt zu einer selbstbestimmten ökologischen Energieversorgung ohne Atomstrom zu tun.

Wie das möglich wird und was Sie dazu beitragen können, erfahren Sie auf den folgenden Seiten .

Die Schönauer Netzkaufnitiative ist aus einer Bürgerbewegung entstanden, deren Ziel es ist, einen aktiven Beitrag zum Ausstieg aus der Atomenergie zu leisten und die Klimaerwärmung zu verlangsamen.

Ein Schwarzwälder Landarzt Dr. Michael Sladek hat eine Idee zur Wärmeversorgung seines Hauses. Er kauft eine Anlage die mit Gas Strom produziert und mit den 60% Abwärme heizt er sein Haus. Als er den selbsterzeugten Strom in das öffentliche Netz einspeisen will ,wird er negativ vom Stromversorger beschieden. Er beschließt das Monopol der Energieanbieter zu brechen und das Stromnetz zu kaufen!

Dazu wurden zunächst seit 1988 Stromsparwettbewerbe durchgeführt. In einem zweiten Schritt reaktivierten die Bürger gemeinsam Wasserkraftwerke, finanzierten größere und kleinere Blockheizkraftwerke und bauten eine große Biogasanlage.

Die Schönauer Bürger haben sich 1990 dazu entschlossen, das Stromnetz in Bürgerhand zu übemehmen. Der bisherige Energieversorger war nicht bereit, Energiesparen und umweltfreundlich vor Ort erzeugten Strom zu unterstützen. In der kleinen Gemeinde Schönau hat der Landarzt eine politische Mehrheit hinter sich gebracht. Die Gemeinde hat dem Netzbetreiber die Betreiberrechte gekündigt.

Der Landarzt gründet eine eigene Netzbetreiber AG und verkauft Anteile an jedermann. Jeder kann Aktien erwerben, um dieses Modellprojekt ökologischer und demokratischer Stromerzeugung zu realisieren!

Die Initiative arbeitet seitdem mit einer Vielzahl von Energiefachleuten konsequent an der Netzübenahme - gegen die Stör- und Verhinderungstaktik des bisherigen Energieversorgers. Ein Gutachten der 1993 gegründeten Elekinizitätswerke Schönau (EWS), das von Fachleuten sehr detailliert erstellt wurde, legte den Netzpreis mit 3,9 Mio DM fest, während der bisherige Energieversorger einen Netzübemahmepreis von 8,7 Mio DM forderte. Ein Preis für die Übernahme wurde mit 6,5Mill DM vereinbart.

Am 10. März 1996 wurden in einem Bürgerentscheid endgültig die politischen Weichen zugunsten der Netzkaufinitiative gestellt.

Noch am Abend des Bürgerentscheides kündigten der bisherige Energieversorger an, daß er auf seiner Netzpreistorderung von 8,7 Mio DM bestehen und nur ein höchstrichterliches Urteil anerkennen würden. Mit wirtschaftlichen Machtmitteln sollte so die politische Entscheidung unterlaufen und die Netzübemahme durch juristische Auseinandersetzungen im Vorfeld nochmals um mehrere Jahre hinausgeschoben werden. Vor dieser Situation standen nach jahrelangem Kampf die Schönauer Bürger, die mit dem Modellprojekt einer ökologischen kommunalen Energieversorgung in der ganzen Bundesrepublik zu einem Beispiel für praktische und konsequente Anti-Atomkraft und Energiewendepolitik geworden sind.

 

 

Die Netzhaufinitiative hat sich deshalb für eine offensive Strategie entschieden:

Der von dem bisherigen Energieversorger geforderte Preis soll in voller Höhe gezahlt werden, wobei die Zahlung unter Vorbehalt erfolgt und der Kaufpreis sofort strittig gestellt wird. Dies ist rechtlich zul~ssig und geprüft. Die unterschiedlichen Berech~ungen des Netzpreises beruhen auf dem sog. ,Sachzeitwert zum Wiederbeschaffungswert', der an sich schon eine Verzerrung der Wettbewerbssituation zum Nachteil der Netzübemehmer darstellt

Durch die Klage gegen den Kaufpreis soll zum einen der ,wirkliche' Wert des Netzes festgestellt werden. Darüber hinaus soll erreicht werden, daß die Bewertungsgrundlage ,Sachzeitwert zum Wiederbeschaflungswert' als kartellrechtswidrig verurteilt wird.

Es bestehen hier berechtigte Erfolgsaussichten: ein Gutachten vom Sommer 1995, das vom ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Bundeskartellamtes, Prof. Klaue, vorgelegt wurde, weist den Sachzeitwert zum Wiederbeschaffungswert als eindeutig kartellrechtswidrig nach. In einem vom Bundesgerichtshof(BGH) herbeigeführten Vergleich zwischen der Gemeinde Witzenhausen und dem Energieversorger EAM geht der BGH auch davon aus, daß der,Sachzeitwert zum Wiederbeschaffungswert' eine überhöhte Preistorderung darstellt. Der BGH hat einen erheblich nieUrigeren Netzkaufpreis als angemessen festgesetzt (dieser würde im Fall Schönau bei ca. 2,6 Mio DM liegen).

Die Schönauer streben eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage an, die bisher noch nicht erreicht wurde. Dieser Prozeß hätte über Schönau hinaus gnundsätzliche Bedeutung für viele andere Gemeinden, die ihr Stromnetz übernehmen wollen und dies mit der günstigeren Bewertungsgrundlage des BGH auch wirtschaftlich durchtühren könnten. Dies könnte eine Welle von Stromnetzübemehmen auslösen. Erfahrungsgemäß sind substantielle Veränderungen in der Stromversorgung nur bei kommunalen Untemehmen (Beispiele: FreiLurg, Saarbrücken, Rottweil) zu erwarten.

Erster Erfolg dieser Strategie: 8 Monate nach dem Bürgerentscheid und 2 Monate nach Beginn der Störfall-Spendenkampagne mußte der bisherige Energieversorger im November '96 seine ursprüngliche Forderung von 8,7 Mio. DM auf 6,5 Mio. DM reduzieren. Auch dieser Kaufpreis ist immer noch absolut überhöht und ändert nichts an der Strategie - allerdings hat sich die zusätzlich benötigte Summe dadurch erheblich verringert.

 

 

Bis zu einem Kaufpreis und Erstinvestition von ca. 4,5 Mio DM läGt sich das Schönauer Netz wirtschaftlich betreiben. Dies ist Grundlage zur Erlangung der Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium, die für jeden Energieversorger die Voraussetzung zur Aufnahme der Stromversorgung ist. Die ca. 2 Mio DM, die darüber hinaus notwendig sind, um die Forderung der KWR zunächst einmal zu befriedigen, müssen daher in Form von Spenden (Zweckzuwendungen) zur Verfügung gestellt werden. Bisher sind ca. 1,2 Mio. DM an Spenden eingegangen. Es fehlt also ,nur noch' eine knappe Million.

Nach gewonnener Klage fließt das zuviel gezahlte Geld wieder in die Stiftung Neue Energie zurück.

Die Spende hat also eine dreifache Wirkung:

¥ Das Schönauer Stromnetz kann sofort gekauft werden - das Modeilprojekt einer ökologischen kommunalen Energiepolitik kann ohne weitere Verzögerung beginnen.

¥ Eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH über die korrekte Bewertungsmethode wäre das ,Startsignal' zum Netzrückkauf, auf das viele Gemeinden warten.

¥ Das zurückgeklagte Geld fließt in die Stiftung Neue Energie zurück, damit können dann wieder neue innovative Energieprojekte angestoßen werden.

Auch das Finanzamt ist an dieser Initiative beteiligt: alle Spenden sind steuerlich absetzbar.

Seit dem 10. September 1996 läuft die Spendenkampagne für Schönau.

© 98


Die Stiftung Neue Energie will den Umbau der Energieversorgung zu einer regenerativen, dezentralen und energiesparenden Struktur fördem. Ziei ist, die Zukunftsfäbigkeit des Energiesektors herzustellen.

 

Die Stiftung wird insbesondere wie folgt tätig:

 

 

 

 

Die Stiftung wird ihr Vermögen auch in wirtschaftlichen Energieprojekten anlegen, um die Erträge daraus für die vorgenannten Zwecke zu verwenden.

Die Stiftung Neue Energie ist eine unabhängige, freie Stiftung im Rahmen der Gemeinnützigen Treuhandstelle e.V.

Die Stiftung richtet sich an Menschen, die nicht mehr darauf warten wollen, daß ãder Staat" oder,,die Wirtschaft" die Energieprobleme lösen, sondem die selbst tätig werden wollen. . An Menschen, die Selbstverantwortung und Eigeninitiative haben bzw. üben wollen.

Dazu können Menschen oder Untemehmen der Stiftung Geldmittel in Fomm von Spenden, Zustiftungen, Vermögensübertragungen, Erbschaften und Nachlässe überlassen. Es besteht die Möglichkeit, neue Ideen und Zweckbindungen mit in die Stiftung einzubringen.

Das Kuratorium der Stiftung besteht bisher aus Carl Amery, Uwe Thomas Carstensen, Prof. Dr. Hartmut Graßl und Prof. Dr. Emst Ulrich von Weizsäcker.

Die Geschäftsführung und Verwaltung der Stiftung Neue Energie liegen bei der Gemeinnützigen Treuhandstelle e.V. Bochum.

 

Die 1961 gegründete Gemeinnützige Treuhandstelle e.V. Bochum (GTS), ein Zusammenschluß von 260 gemeinnützigen Vereinen, verfügt über vielfältige Erfahrungen bei der Gestaltung von Schenkungen und Sondervermögen sowie in Testaments- und Erbschaftsfragen. Die GTS fördert die sozialen, ökologischen und kulturellen Vorhaben ihrer gemeinnützigen Mitgliedsorganisationen. Sie arbeitet eng mit der GLS Gemeinschaftsbank eG zusammen.

 

Stiftung Neue Energie

Oskar-Hoffmann-Str. 25

44789 Bochum

Telefon (02 34) 3 07 93 - 0

Telefax (02 34) 3 07 93 - 33

 

Konten:

Stiftung Neue Energie/

Gemeinnützige Treuhandstelle e.V.

Kto.-Nr N 919, BLZ 430 609 67

bei der GLS Gemeinschaftshank eG Bochum


Warum eine "Stiftung Neue Energie"?

Sowohl für die wirtschaftliche Entwicklung als auch für die Umweltverschmutzung ist der Energieverbrauch ein Schlüsselindikator. Das Ergebnis einer Prognos-Studie zu den Perspektiven der Energiemärkte Deutschlancls bis zum Jahr 2020 ist: Der Energieverbrauch wird bis zum Jahr 2020 ,nur' noch um insgesamt 6 % steigen. Kein Grund also zur Beunruhigung?

Die weiteren Ergebnisse dieser Trendstudie zeigen (bei unveränderten Rahmenbedingungen) aber folgendes:

Derzeit verbrauchen wir weltweit jährlich              % der Weltenergiereserven. Bei unverändertem Verbrauch reichen die Ressourcen also gerade noch für das          /2fache unseres heutigen Durchschnittslebensalters. Die Trends der Wirtschaftsentwicklung im femen Osten und anderswo werden diesen Zeitraum noch erheblich verkürzen.

Selbst in Deutschland wird sich die jährliche CO2Emmission von derzeit knapp I Milliarde Tonnen (!) nicht nennenswert verringem. Bei einer Verweildauer von ca. 150 Jahren in der Atmosphäre ist dies ein sich potentierendes Klimaproblem mit unabsehbaren Folgen. ãReatistische Rückhaltetechniken gibt es nicht", heißt es dazu knapp in der Zusammenfassung der Studie.

Bis 2020 wird der überwiegende Teil des Kraftvverkbestandes ersetzt werden müssen. Die Studie geht von der Annahme aus, daß die Kemkraftkapazität bestehen bleibt.Die ,todsicheren Risiken' der Atomindustne entziehen sich jeglicher Meßbarkeit und sind daher auch auf der umweltrelevanten Emmissionsliste nicht zu finden.

 

Die Pkw-Bestände nehmen bis 2020 nochmals um 30 % zu, so wird gerechnet. Dies wären zusätzlich 12 Millionen Pkw, die allein 12.000 ha Parkfäche benötigen! Mit einer Zunahme des öffentlichen Personenverkehrs wird nicht gerechnet.

 

Die Studie prognostiziert: ãDie regenerativen Energien werden auch in Zukunft nur einen Bruchteil des Weltenergiebedarfs decken, obwohl ihr realisierbares Potential bei fast 600 EJ (Exajoule) liegt". Das realisierbare Potential ist danach doppelt so groß wie der heutige weltwerte Energieverbrauch!

 

Selbst bei veränderten Annahmen der Rahmendaten (ohne fundamente Änderung) wird sich dies laut Prognos auf den erwarteten Energieverbrauch in 2020 nun mit einem Minus von 7 % auswirken. Dabei wird einschränkend folgendes vermerkt: ãUnsicherheiten bestehen vor allem in dem gesamten Komplex der Energiepolitik, der Energiepreise und des gesellschaftlichen Werte'A'andels. Hier geht die Prognose davon aus, daß keine wirklich grundsätzlichen Änderungen der Rahmenbedingungen eintreten."

 

Das Wirtschaftsministerium, das diese Studie beauftragt und veröffentiicht hat, schreibt in seiner sehr kurzen Vorbemerkung zur Studie: ãDie Bundesregierung kommentiert grundsätzlich nicht die Ergebnisse der erstellten Energieprognosen". Das ist ebenso verständlich wie katastrophal. Will man eine zukunftsfäbige Energiepolitik machen, läDt die Studie nur einen Weg offen: wirklich grundsätzliche fundamentale Änderungen der Rahmenbedingungen. Daß bei einer solchen Änderung völlig andere Entwicklungen möglich sind, zeigt z.B. die Greengeace-Studie ,Energie' des ()koinstitutes oder die entsprechenden Passagen in der BUND-Studie,Zukunftsf higes Deutschiand' des Wuppertal-lnstituts für Klima, Umwelt und Energie.

 

 

Alle Trendprognosen und bisherigen Entwicklungen hingegen zeigen, daß unser kapitalorientiertes Marktwirtschaftsystem und das damit verbundene Staats- und Regierungswesen für diese notwendigen Änderungen nicht leistungsfähig ist Wie bei dem Arbeitslosenproblem kann auch hiervon einem Systemversagen gesprochen werden. Aber kann ein System überhaupt innovationsfähig sein? Können Funktionäre eines System dies sein, ohne ihre Rolle zu verlassen? Natürlich steilt sich diese Frage hauptsächlich bei den Funktionären aus Wirtschaft und Politik. Sind wir aber nicht alle irgendwie auch Systemfunktionäre in unseren Verhaltensweisen?

Interessiert uns beim Strombezug nicht doch nur die Kilowatts-.unde und der Preis - ohne Rücksicht auf die Art der Stromgewinnung? Eine dringende Innovation liegt in der notwendigen Neudefinition der Qualität eines Produktes. Die Art der Herstellung mit ihren sozialen und ökologischen Wirkungen mui3 künftig den gleichen Stellenwert wie die Beschaffenheit des Produktes selbst haben. Eine Kilowattstunde Atomstrom bekäme damit eine ganz andere Qualität als eine Kilowattstunde Sonnenstrom, obwohl damit eine Lampe keine Stunde iänger brennt

Der ökologische Qualitätsunterschied ist dabei sofort nachvollziehbar. Für den sozialen Unterschied ist auch die Gesamtstruktur des Untemehmens, die den Sonnenstrom produziert, zu betrachten. Eine Vielzahl von Betreibern, die dezentral kleine und mittlere Anlagen betreiben, entsprechende Arbeitsplätze schaffen und ihrerseits den gesellschaftlichen Wertewandel aktiv mitvollziehen, sind sicher anders zu beurteilen ais kapitalorientierte Großkonzeme in einem monopolisierten Markt. Dies ist nur beispielhaft gemeint und läBt sich auch auf andere Produktbereiche übertragen.

 

Eine grundsätzliche, fundamentale VerändenJng der Rahmenbedingungen so scheint es, kann nur vom einzelnen ausgehen. Die Entwicklung von der kapitalorientierten Markwirtschaft zu einer ganzheitlich orientierten können wir nur selbst beginnen und dann das Entsprechende von Wirtschaft und Politik fordern. Daß dies nicht nur eine Utopie ist, zeigen z.B. die Schönauer Bürger, die ihr Stromnetz selbst erwerben, um Stromeinsparungen sowie dezentrale und regenerative Energieerzeugungsanlagen zu realisieren. Auch an anderen Orten gibt es vielfältige Bürgeraktivitäten zur Realisierung dezentraler regenerativer Energieerzeugungsanlagen, aber auch zur Ökologisierung des Energiewirtschaftsgesetzes und zu einem veränderten Preisverhalten beim Strombezug.

Die Stiftung Neue Energie unterstützt zunächst vorrangig das Schönauer Projekt, weil es bundesweit beispielhaft nicht nur in der Realisierung entsprechender dezentraler Energieerzeugungsanlagen ist, sondem in der fundamentalen \(eränderung von Rahmendaten. Dies bezieht sich von der Veränderung des marktwirtschaftlichen Verhaltens der Bürger vor Ort bis zur Korrektur rechtlicher Rahmenbedingungen über die angestrebte Klage vor dem Bundesgerichtshof.

Auch langfristig hat die Stiftung Neue Energie das Ziel solche Projekte zu fördem, die beispielhaft. und sei es nur ansatzweise, die kapitalorientierten marktwirtschaftlichen Rahmenbedingunten des stark konzentrierten Energiemarktes in Richtung einer dezentralen ganzheitlich orientierten Marktwirtschaft verändem.

Die Stiftung Neue Energie ist dabei eine Stiflung von Bürgem für Bürger. Auch wenn den Anfang einige größere Spender gemacht haben, richtet sich die Stiftung an alle Bürger, die mit größeren oder kleineren Beträgen diesen Änderungsprozeß mittragen wollen.

 

Thomas Jorberg/Mitglied des Vorstandes der GLS Gemeinschaftsbank eG

 

Stiftung Neue Energie

Postfach 10 08 29

44708 Bochum

Tel. (02 34) 3 07 93-0 Fax (02 34) 3 07 93-33


 

Ein Brief aus Schönau im Schwarzwald

 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Brief ist ein wichtiger Teil der bundesweiten Kampagne "Ich bin ein Störfall" und will Sie anstecken, ebenfalls Störfall zu werden. Stören Sie mit uns die Überheblichkeit und finanzielle Macht der großen Energieversorger und ihr Festhalten am Atomstrom. Werden Sie Störfall, damit es keinen atomaren Störfall mehr gibt!

Wir Schönauer wollen unser Stromnetz kaufen, um zu beweisen, daß alternative Energiekonzepte funktionieren. Die großen Energieversorger wollen auf Atomstrom nicht verzichten, obwohl Ersatz durch Energiesparen, Wind- und Sonnenstrom, Wasserkraft und Blockheizkraftwerke technisch und wirtschaftlich längst machbar ist.

Deshalb mußten wir selbst Stromversorger werden. Es war ein jahrelanger harter Kampf. Doch im März 1996 stimmten die Schönauer in einem Bürgerentscheid für das atomstromfreie Energiekonzept. unserer Bürgerinitiative. Ein Störfall, mit dem wohl niemand von der Atomwirtschaft gerechnet hätte.

Nun versucht der Energieversorger die Umsetzung des Konzeptes mit maBlos übertriebenen Netzpreisforderungen doch noch zu verhindern, denn Schönau könnte ein Modell für viele andere Gemeindgn werden. 8,7 Mio. DM verlangt er für das Sehönauer Nett, obwohl es richtig bewertet nicht einmal die Hälfte wert ist. Unter Energieversorgern eine beliebte Methode, neue, ökologische Energiekonzepte zu verhindern.

Bis jetzt. Denn wir reagieren anders, als der Energieversorger erwartet. Wir zahlen die überzogene Netzpreisforderung unter Vorbehalt, übernehmen das Netz, klagen und arbeiten auf ein Urteil hin, das die von den Stromversorgern geforderte Netzpreisbemessung grundsätzlich kippt. Dieser Prozeß wird eine bahnbrechende Wirkung für viele andere Gemeinden haben, die auf das Startsignal für den Netzrückkauf warten. Dezentrale Energieversorgung rechnet sich dann - das ist die Basis einer energiepolitischen Wende in Deutschland, die Atomstrom überflüssig werden läßt.

Mehr als 5 Mio. DM haben wir schon für den Kauf des Stromnetzes zusamrnen -für die restlichen 3,5 Mio. DM braucnen wlr Ihre Hilfe! Helfen Sie die Wende einzuleiten: Werden Sie Störfall! Mit Ihrer Spende an die Stiftung Neue Energie. Dorthin fließt das Geld nach gewonnener Klage auch wieder zurück und fördert erneut richtungsweisende Energieprojekte.

Helfen Sie, eine noch nie dagewesene Kettenreaktion auszulösen: Kopieren Sie bitte diesen Brief und schicken oder faxen Sie ihn an Freunde und Bekannte weiter.

 

Schönau Jan 1997


Schönau im Dezember 1997

 

Nach diesem für die Netzkauf und alle Beteiligten so ereignisreichen Jahr möchten wir Ihnen zum Jahresende einen kurzen Bericht geben, wie sieh die Arbeit der EWS "angelassen" hat und welche Pläne wir für die nahe Zukunft haben.

 

Doch zuerst noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön an Sie, denn Ihre Beteiligung, Ihre Unterstützung - finanziell wie moralisch - hat das Projekt erst möglich gemacht. Die Auszeichnungen, die wir für das Schönauer Netzkaufprojekt und Bürgerengagement dieses Jahr bekommen haben (Henry Ford European Conservation Awards, Mai 97, und Förderpreis "Demokratie leben" des Deutschen Bundestages, November 97) sind Auszeichungen für alle am Projekt Beteiligten!

 

Aber nun zum Energieversorgeralltag: Seit der Netzübernahme zum 1. Juii 97 versorgen wir nun die Bewohner der Stadt Schönau mit Strom. ~t unseren dreiElektrofachleuten der ~ Elektrizitätswerke Schönau - EWS - haben wir einen guten Griffgetan,: sie~ sind engagiert und kompetent und es gibt keinerlei versorgungstechnische Probleme. Mit der Ubernahme der Stromversorgung wurden sofort die Einspeisevergütungen für B~W- und Photovoltaikstrom verbessert. BHKW Strom vergütet die EWS nach ihren eigenen vermiedenen Kosten, was in Zahlen ca. 13 -15 Pfennig bedeutet, je nachdem, ob das BHKW zu Spitzenstromzeiten einspeist. Beim Photovoltaikstrom geht die EWS über die gesetzlich vorgeschriebene V-ergutung nach dem Stromeinspeisegesetz mit einer unbürokratischen "Rein-Raus" Regelung hinaus, d.h. auf die. zusätzliche Installierung eines separaten Einspeisezählers wird verzichtet, der normale Hausstromzähler läuf einfach rückwärts. Abgesehen davon, daß der Solarstromerzeuger teure Kosten für Zählerinstallation und -gebühren spart, verdoppelt sich die Einspeisevergütung dadurch.

 

Andere Pläne warten noch auf die Realisierung, wie z.B:. die Einfiihrung stromsparender Tarife. Hier müssen als~Grundlage Zahlen und Daten von mindestens einem vollständigen Abrechnungszeitraum vorliegen, damit der speziell für Schönau stromsparfördernste Tatif ausgewählt werden kann. Unabhängig davon haben wir unsere Schönauer Stromsparbroschüre mit den neuesten Zahlen überarbeitet und ergänzt - diese Brosc~re wird zuun Jahresende mit den Stromrechnungen an alle Kunden verteilt. Da~uber hinaus macht ihnen die EWS das~ A;ilgebot, mit dem Stromsparlampenkofferund elektrischen Meßgeräten eine Stromsparberatu~g vor Ort kostenlos durchzufihren.

Die Einreichung der Klage gegen den überhöhten Netzpreis und die Grundlagen der Stromnetzbewertung als solche wird nun im Frühjahr 98 stattfinden. Unser Rechtsauwalt Dr. Peter Becker und unser Netzbewerter Dr. WolLgang Zander, die die Klageschrifc für uns vorbereiten, waren in den vergangenen Monaten mit Ausarbeitungen für Alternativentwiirfe für das Neue Energierecht so vollständig ausgelastet, daB unsere Klage zunächst einmal etwas zurückgestellt werden musste. Leider gibt es auf diesem Gebiet so wenig unabhängige Fachleute, daß diese Experten überall in der Bundesrepublik tätig sein müssen.

Besonders erfreulich ist es, daB viele konkrete Projekte angedacht werden, bzw. schon h~rz vor der Realisierung stehen. Dieser Tage wurde das erste Senertec Blockheizkraftwerk in Schönau eingebaut7 dem Anfang 98 gleich vier weitere folgen werden. Bei der konsequenten Umsetzung des Schönauer Netzkaufprojektes wird die als weiteres Mitglied der Energie-Initiativen neu gegründete Kraft Wärme Schönau KWS GmbH eine wichtige Rolle spielen. Sie tritt nicht nur als fachkundiger Berater für Bauherren, Architekten usw. auf, sondern wird umweltschonende Energiesysteme auch finanzieren und betreiben (Contracting), um selbst dort eine ökologische Entscheidung zu ermöglichen, wo im Moment keine Geldmittel datür vorhanden sind. (Genaue Informationsunterlagen können bei KWS, Postfach 51, 79675 Schönau, angefordert werden)

Die Aufbruchstimmung, die durch die Netzübernahme so ein bil3chen entstanden ist, macht sich auch auf dem Photovoltaiksektor bemerkbar. Die zweite groBe Photovoltaikanlage mit 5 kW ist auf einem Privathaus errichtet worden und die groJ3e Gemeinschaftsanlage auf dem Dach der Evangelischen Kirche geht in die konkrete Phase der Realisierung - Sie werden davon noch in Einzelheiten hören. Das Jahr 1998 wird uns einen guten Schritt weiterbringen auf dem Weg in eine klimaverträgliche Energieversorgung ohne Atomstrom, und wir werden der Ohnmacht der Politik, wie sie sich jetzt wieder auf dem Klimagipfel in Kyoto gezeigt hat, den entschiedenen Willen der Bürger entgegensetzen, die Welt für ihre Nachkommen bewohnbar w hinterlassen.

Sie erhalten mit diesem Schreiben auch Ihren Kontoauszug, auf dem genauestens jede Kontobewegung vermerkt ist. Diese Kontoauszüge werden jetzt nicht mehr von den Geldinstituten, sondern seit der Netzübernahme von der Netzkauf selbst erstellt.

 

Die nächste Gesellschafterversammlung ist für den Frühsommer 98 geplant,~ sobald die erste Bilanz der EWS vorliegt.

Nun wünschen wir Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und für 1998 alles Gute, besonders Gesundheit und die Kraft, sich weiterhin für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen emzusetzen.

 

Mit ganz herzlichen und energiegeladenen Grüßen

Stiftung Neue Energie Netzkauf Schönau GbR mbH

Postfach 61, 79675 Schönau

Geschäftsführer: W.D. Drescher, H. Radny Tel. 07673 -931578 Fax 07673 -931580

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