Bundesweite Volksabstimmung

Kampagne der selbstorganisierenden Bürgerbewegung "Mehr Demokratie"

Die Kampagne zur bundesweiten Volksabstimmung

Viele Politiker und große Teile der Parteien vertreten weiterhin die Auffassung, die repräsentativen Demokratie sei etwas Fertiges, etwas, das keiner Veränderung mehr bedürfe. Dabei stechen die Mängel dieser demokratischen Ordnung ins Auge. Im Streit um Parlamentssitze und Parteienfinanzierung sowie bei der Sicherung politischer Einflußkanäle geraten Politikinhalte immer mehr in den Hintergrund. Die Parteien bemühen sich um ihr Erscheinungsbild und vernachlässigen die Lösung politischer Probleme. Dies wird besonders in Wahlkämpfen deutlich, in denen konkrete Inhalte von Slogans und medienwirksamen Personen verdrängt werden. Nur die bekannten Gesichter der Politiker lassen erkennell, daß es sich nicht um Zigarettenwerbung handelt. Eine politische Meinungsbildullg, die von der Parteienmeinung ab weicht, ist nicht erwünscht. Die Bürger/-innen sollell die Arbeitsteilung zwischen sich und den Parteien akzeptierem Sie sollen alle vier Jahre zur Wahl gehen und die inhaltliche Ausgestaltung der Politik den Parteien überlassen. Das muß sich ändern. Demokratie muß sich weiterentwickeln, da mit sie stabil bleibt.

 

Gefahren der Machtkonzentration

Die Konzentration der Macht in den Parteien birgt zwei Gefahren: Erstens sind die lnhaber der Entscheidungsgewalt den gesellschaftlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Ausländerfeindlichkeit, Verkehrsinfarkt etc. nicht gewachsen. Zweitens bewirkt die Arbeitsteilung eine politische Kultur, in der die Parteien in immer mehr Bereiche (Medien, Verbände, Bürokratie, Universitäten, Schulell, Ver eine etc.) eindringen und die Bevölkerung die Verantwortung für Unbewältigte Probleme auf die Parteien schiebt. Direktdemokratische Entscheidungen beziehen auch die Meinungen und Ideen derer ein, die sich nicht in Parteien organisieren oder die in Einzelfragen von der Parteilinie abweichen. Die Bewältigung drängender Probleme wird wahrscheinlicher, da mehr Menschen an Lösungen arbeiten. Die Bereitschaft der Bevölkerung zur Verantwortung steigt, wenn die Menschen über die Konzepte selbst abstimmen können.

 

Fehlentwicklungen der repräsentativen Demokratie

Wer zu den Machtträgern auf parteipolitischer Ebene gehört, hat einen starken Einfluß auf die Gesellschaft. Hier treffen sich Menschen, die Lust auf Macht verspüren. Zudem bringt diese Machtstellung in der Politik auch einen finanziellen Vorteil. Der Drang vieler Einzelpersonen nach finanzieller Absicherung in den Parteien birgt jedoch Selbstläuferprozesse in sich, so daß die Par teien gezwungen sind, an der Macht zu bleiben, damit sie die materiel len Forderungen ihrer Mitglieder erfüllen können. Parteipolitische Macht beschränkt sich hier nicht auf die Regierungs mehrheit. Die Opposition ist ebenfalls bemüht und dazu in der Lage, für ihre Mitglieder Vorteile zu sichern. Der Verlust an Politikinhalten geht mit einer parteienfixierten Be richterstattung der Medien einher. Den Medien sind parteiinterne Que relen, Skanda]e oder das Privatleben der Politiker häufig wichtiger als die Lösung konkreter Probleme. Die Politiker entsprechen dieser Art der Berichterstattung, indem sie bemüht sind, sich medienwirksam in Szene zu setzen. Dieses von parteipolitischem Kalkül bestimmte Me dienspektakel verhindert sachorientierte Erörterungen, die zu Problem lösungen beitragen könnten. Wenn diese Fehlentwicklung der repräsentativen Demokratie in Deut schland fortschreitet, wird sich die mangelnde Problemlösungskompe tenz und die daraus resultierende Hilflosigkeit der Parteien verschär fen. Nur die Öffnung des politischen Systems verspricht langfristig ei nen sachorientierten Umgang mit Problemen und deren Behebung.

 

 

Unser Ziel ist daher die bundesweite Volksabstimmung!

Die Erfahrungen mit dem bayerischen Bürgerentscheid stimmen uns sehr zuversichtlich. Sie zeigen, daß die Bürger mitentscheiden wollen und können. Das ist ein wichtiges Signal für die Demokratie in Deutsch land. Deshalb haben wir uns ein nächstes großes Ziel gesetzt: die Ein führung der Volksabstimmung auf Bundesebene. Die bundesweite Volksabstimmung soll nach Vorstellungen des da für gebildeten Arbeitskreises in einem Dreischritt ablaufen. Erst wer den 100.000 Unterschriften für einen Gesetzentwurf oder Antrag gesam melt. Mit diesem Volksantrag muß sich dann der Bundestag beschäfti gen. So sind die Politiker von Anfang an einbezogen. Lehnt der Bun destag den Volksantrag ab, müssen im Volksbegehren 1 Million Unter schriften gesammelt werden. Wird diese Hürde genommen, findet die Volksabstimmung statt. Es entscheidet die Mehrheit der Abstimmenden.


Mitbestimmung durch Volksabstimmung

Wir brauchen auf Bundesebene die Volksabstimmung:

¥ damit neue Konzepte in der Öffentlichkeit diskutiert werden,

¥ damit es einen Wettbewerb der Ideen gibt,

¥ damit die Bürgerinnen und Bürger ernst genommen werden

und in wichtigen Sachfragen (z.B. europäische Währungsunion, ökologische Steuerreform) mitentscheiden können. Eine verantwortliche Politik kann nicht von einer kleinen Gruppe ge tragen werden. Viele Entscheidungen bestimmen das Schicksal dieser und aller kommenden Generationen. Keine Regierung oder Partei kann dafür die Verantwortung allein übernehmen, das können nur alle Bür gerinnen und Bürger gemeinsam. Wir alle tragen schließlich auch die Folgen der politischen Weichenstellungen. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen (IPOS) von 1995 belegt, daß über 70% der Bevölkerung bundesweite Volksabstimmungen haben wollen. Die Unterstützung geht quer über alle Parteigrenzen hin weg, denn der Volksentscheid hat keine politische Farbe. Er ist ein Instrument, das Menschen dazu ermutigt, sich zu engagieren.

Der Volksentscheid hat keine politische Farbe. Er ist ein Instrument für alle Bürgerinnen und Bürger.

Warum haben wir eigentlich keine Volksabstimmung auf Bundesebene?

Im Grundgesetz heißt es in Artikel 20, daß das Volk die Staatsgewalt in "Wahlen und Abstimmung" ausübt. Obwohl die Verfassung also prin zipiell Volksabstimmungen vorsieht, weigerten sich die regierenden Parteien bislang, Regelungen zur Durchführung von Volksabstimmun gen zu beschließen. Zuletzt lehnte im Februar 1993 die Gemeinsame Verfassungskommission mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. eine Regelung der Volksabstimmung ab. Bündnis 90/Die Grünen und die SPD hatten damals entsprechende Gesetzentwürfe eingebracht. Zugleich umging die Regierungskoalition damals einen klaren Ver fassungsauftrag. Laut Präambel und Artikel 146 des Grundgesetzes sollte es mit der Deutschen Einheit eine neue Verfassung geben, die vom Volk beschlossen wird. Bis 1989 war dies in den juristischen Kom mentaren nachzulesen. Als es dann 1990 überraschend zur Einheit kam, wollten die Regierenden nichts mehr davon wissen. So wurde die ge meinsame Zukunft nicht auf die Grundlage einer von den Bürgerinnen und Bürgern per Volksentscheid beschlossenen Verfassung gestellt.

 

Die Volksabstimmung ist Sache der Bürger

Kein Mächtiger gibt gerne Macht ab. Deshalb wäre es eine Illusion zu glauben, daß die Regierenden die Volksabstimmung von sich aus ein führen. Es wäre auch schlecht, wenn sie das täten, denn die Regierungs parteien würden Hürden und Klauseln einbauen, die das Beteiligungs instrument stumpf machten. Das zeigen alle Erfahrungen auf Landes ebene. Die Volksabstimmung ist allein Sache der Bürger. Warum sollten auch die Politiker bestimmen, wieviel wir Bürger zu sagen haben? Das müssen wir schon selbst entscheiden. Ob das Volk die Volksabstim mung will oder nicht, weiß nur das Volk. In der nun anstehenden Kampagne "Mehr Demokratie in Deutsch land" wenden wir uns nicht an die Bonner oder Berliner Regierungs parteien. Wir wenden uns direkt an die Bürgerinnen und Bürger. Sie sollen selbst entscheiden, ob Sie die bundesweite Volksabstimmung wol len oder nicht und wie diese geregelt sein soll. Sicherlich, das ist ein ungewöhnlicher Ansatz. Normalerweise wen det man sich an Politiker, um etwas zu erreichen. Mehr Demokratie geht dagegen den direkten Weg, denn wir alle, die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam, sind der Souverän des Staates.

 

Das Ziel der Kampagne: Volksabstimmung über die Volksabstimmung

Das Ziel unserer Kampagne ist also die Durchführung einer ersten bun desweiten Volksabstimmung zur Frage, ob es in Zukunft generell Volks abstimmungen geben soll. Wie kann es dazu kommen? Wir machen es genauso, wie wir bun desweite Volksabstimmungen geregelt haben wollen. Diese erste Volks abstimmung wird herbeigeführt durch ein Volksbegehren, das von 1 Million Stimmberechtigten unterstützt wird. Da es auf Bundesebene im Moment aber noch keine gesetzliche Grundlage für Volksbegehren gibt, führen wir ein selbstorganisiertes Volksbegehren durch. Als Souverän des Staates können wir Bürgerinnen und Bürger die demokratischen Spielregeln selbst bestimmen. Die Regierenden geben vor, daß Volksbegehren auf Bundesebene nicht möglich seien und daß sich die Bürger immer an die Politiker wenden müsseM, um politisch etwas zu erreichen. So haben die Regierenden bislang ihre zentrale Machtposition in unserem Staat gesichert. Das war aber nur möglich, weil wir Bürger diese Spielregeln einfach akzeptiert haben. 1989 haben die Bürgerinnen und Bürger der DDR aufgehört, die Spielregeln des SED-Regimes zu akzeptieren. "Wir sind das Volk!" war das Motto dieser großen demokratischen Revolution. Ihr Beispiel zeigt, welche Energien und Freiräume entstehen, wenn sich das Vo]k eigene Spielregeln gibt. Um das Ziel der Volksabstimmung zu erreichen, gehen wir den Weg der Volksabstimmung. Unser Weg ist unser Ziel. Dadurch bekommt unsere Kampagne sehr viel politische Kraft, denn wir setzen Tatsachen, an denen niemand vorbeikommt. Die Volksabstimmung existiert schon dadurch, daß wir selbst den Weg der Volksabstimmung gehen. Jeder versteht sofort, was wir wollen - nämlich eine gesetzliche Regelung für das, was wir im Moment gerade tun.

 

Die Rechtsgrundlage dieser ersten Volksabstimmung

Bei diesen Überlegungen halten Skeptiker entgegen: "Euer selbstorga nisiertes Volksbegehren hat keine Rechtsgrundlage, deshalb wird es zu keiner Volksabstimmung über die Volksabstimmung kommen." Sicherlich, ohne Rechtsgrundlage werden die Gemeinde- und Stadt verwaltungen weder Abstimmungsbenachrichtigungen versenden noch Stimmlokale einrichten. Damit die erste Volksabstimmung stattfindet, bedarf es also eines Beschlusses des Bundestages. Dieses Problem haben wir in unserer Kampagne berücksichtigt. Denn durch die Kampagne schaffen wir eine politische Situation, in der sich die Politiker nicht mehr gegen den Willen ihrer Wählerinnen und Wäh ler stemmen können. Unter dem öffentlichen Druck einer Million Bür gerinnen und Bürger wird der Bundestag die Durchführung dieser er sten denkwürdigen Volksabstimmung beschließen. Rechtlich gesehen gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder beschlie ßen Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit ein verfassungs änderndes Gesetz zur Durchführung dieser ersten Volksabstimmung. In diesem Fall wäre das Ergebnis der Volksabstimmung direkt rechts wirksam und die entsprechende Regelung in unser Grundgesetz wür de eingefügt werden. Es wäre aber auch möglich, daß eine einfache Bundestagsmehrheit dieser ersten Volksabstimmung den Charakter ei ner Volksbefragung gibt. In diesem zweiten Fall wäre das Abstim mungsergebnis nicht direkt rechtsgültig, sondern müßte durch Bun destag und Bundesrat in einem nachfolgenden zweiten Schritt noch einmal beschlossen werden. Wir bereiten unsere Kampagne so gründlich vor, daß sie erfolgreich ist. Fünf bis zehn Jahre wird sie je nach Kampagnendynamik dauern. In Bayern liefen die Vorbereitungen über drei Jahre, ein bundesweiter Erfolg ist schwieriger zu organisieren. Wir haben daher den Weg zur bundesweiten Volksabstimmung in drei Phasen gegliedert (siehe Kam pagnenplan eien Seite zuvor).

 

Die Vorbereitungsphase

In der ersten Phase, der sogenannten Vorbereitungsphase, schaffen wir die Grundlage für das selbstorganisierte Volksbegehren. Landesverbän de und Regionalbüros müssen aufgebaut und mindestens 10.000 Mit glieder gewonnen werden, damit wir diese Organisationsstruktur fi nanzieren können. Wir knüpfen also ein erstes Demokratienetz. Gleich zeitig werden die Verfasser von Bürgerbegehren in Gemeinden und Kreisen beraten, und die Presse wird regelmäßig informiert. In der Vor bereitungsphase erstellen wir auch unseren Gesetzentwurf zur Rege lung der bundesweiten Volksabstimmung.

Die Aufbauphase

Die zweite Phase ist die sogenannten Aufbauphase. Mitglieder und Aktive gründen lokale Aktionskreise und gewinnen unterstützende Ver bände und Parteien. Das Demokratienetz wird engmaschiger. Gleichzeitig finden in einzelnen Bundesländern landesweite Volks begehren zur Verbesserung des Rechts auf Volksabstimmung auf Lan des- und Gemeindeebene statt. Solche Volksbegehren sind z.B. für Ham burg, Berlin und Niedersachsen geplant. In Bayern wollen wir das Volks begehren "Faire Volksentscheide", das vom Bayerischen Verfassungs gerichtshof 1994 in der "schwarzen Novemberwoche" (siehe Kapitel 5) gekippt wurde,neu starten. Diese Volksbegehren sind für die einzelnen Länder sehr wichtig. Sie sind aber auch Pilotprojekte für die bundesweite Volksabstimmung, ein Nährboden für unsere Kampagne. Dadurch wird das Prinzip der Volksabstimmung über die Volksabstimmung erlebbar. Die öffentliche Diskussion spitzt sich zu. Es bildet sich jeweils ein dichtes Netz von eingearbeiteten Aktive

Die heiße Phase: Ein Szenario

In der heißen Phase führt das Demokratienetz die erste bundesweite Volksabstimmung zur Einführung der Volksabstimmung herbei. Diese heiße Phase ist auch die kritische Phase. Wie sie genau ablaufen wird, kann heute noch niemand vorhersehen. Zu viele Faktoren sind unbe kannt. Im folgenden eines der denkbaren Szenarien, damit Sie sich die heiße Phase vorstellen können. Dabei gehen wir davon aus, daß CDU und CSU an der Regierung bleiben oder sind.

¥ Zu Beginn der heißen Phase ist eine breite öffentliche Diskussion über Direkte Demokratie bereits in Gang. In den Bundesländern und Gemein den haben die Bürgerinnen und Bürger in den letzten Jahren Erfahrungen mit Volksabstimmungen gesammelt. Gleichzeitig besteht ein dichtes Demokratienetz von Mitarbeitern.

Die Grundgedanken der Kampagne

1. Wir wenden uns nicht an die Bonner Regierungsparteien. Wir wenden uns direkt an die Bürgerinnen und Bürger.

2. Als Souverän des Staates können die Bürgerinnen und Bürger die demokratischen Spielregeln selbst bestimmen.

3. Die Volksabstimmung existiert schon dadurch, daß wir selbst den Weg der Volksabstimmung gehen.

4. Durch unser selbstorganisiertes Volksbegehren schaffen wir eine politische Situation, in der der Bundestag die Durchführung der ersten Volksabstim mung über die Volksabstimmung nicht mehr verhindern wird.

5. Wir bereiten die Kampagne so gründlich und langfristig vor, daß sie erfolgreich ist.

6. Das Parlament wird am Entscheidungsprozeß beteiligt. Es kann einen eigenen Gesetzentwurf alternativ zu unserem zur Abstimmung stellen.

7. Die Forderung einer Volksabstimmung über die Volksabstimmung ist das größtmögliche Kampagnendach. Unter diesem können wir auch mit solchen Bündnispartnern zusammenarbeiten, denen unser Gesetzentwurf zu weit geht. Denn es geht darum, daß die Bürger entscheiden können.

Mehr Demokratie e.V.