Beuys erweitert das 20te Jahrhundert

Die von Künstlern seit Beginn des 20ten Jahrhunderts gestalteten Werke änderten die Wahrnehmung und das Denken in der westlichen Kultur so heftig, dass sie die bestehende Weltkultur wesentlich verwandelten. Kunstrichtungen wie Expressionismus, Kubismus, Abstrakte Kunst, Dadaismus, Surrealismus, Popart und Konzeptkunst zeigten in ihren Werken neue Formen der Wahrnehmung und Darstellung und zielen damit auf eine beim Betrachter gewandelte Weltsicht ab.

Joseph Beuys ist einer dieser Veränderer der Kultur. Er verfolgt in der Erzeugung eines ganzheitlichen auf Mensch und Kosmos bezogenen Kunstbegriffs in Theorie und Praxis eine Doppelstrategie aus neuen Begriffsbildungen und erweitertem Gestaltungseingriff in die Welt."Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kraft der menschlichen Kreativität. Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kunst"JB.

Aus seiner geänderten Wahrnehmung der Welt und seinen neuen Begriffsbildungen erfolgt seine willentliche Formung eines neuen praktisch-utopischen Kosmos. Beuys strebt eine Transformation der bestehenden Realität an um eine noch nicht sichtbare aber schon denkbare Realität ( Alternative) zu schaffen.Er bezeichnet sein Vorgehen in der Gestaltung von Wahrnehmung/Denken und Handeln als Parallelprozeß.

Einen Vorläufer in der Umsetzung von THEORIE in PRAXIS als praktischer Philosophie hat er darin in Karl Marx -auf den er sich auch mit seiner Aussage "Kunst= Kapital" antithetisch bezieht.(Später fragt sich Beuys,"Wenn Kunst das Kapital ist, was ist dann Geld?") Im Vergleich dazu sieht sich die Anarchistenbewegung zu Beginn des Jahrhunderts nicht als die Praxisabteilung von Dada und hebt auch nicht ab in Richtung"Jeder Mensch ist ein Künstler".

  


In seiner Fragestellung was denn die Kunst ausmacht, konstatiert Beuys, daß diese nur auf der Grundlage von Freiheit fußen kann."Der Mensch ist ein Naturwesen auf der untersten Stufe, dann ist er ein Gesellschaftswesen, und darüber hinaus ist er ein freies Wesen"JB. Im völlig voraussetzungslosen freien Akt, schlägt die Kreativität, das Neue, der Energie zum Guten als Blitz in die Horizontale des Geschichtsprozesses ein und transformiert sie als WÄRMEKUCHEN. Diese völlig freien kreativen Energien stammen nicht aus der Gegenwart oder Vergangenheit sondern aus einem Über oder Gegenraum, aus einem Raum in der Zukunft. In der Feststellung daß der Mensch nicht Prokukt einer Determinierung ist, richtet er sich gegen den naiven Materialismus. Erkennt aber das die Mysterien im Hauptbahnhof stattfinden und nicht in einem rein geistigen Raum. Für Beuys definiert sich der Mensch aus der Zukunft heraus. Der Künstler ist das Medium diese kreativen Energien aus der Zukunft intuitiv zu erfasssen,durchzuleiten und zu gestalten. Der Künstler hat schamanische Kräfte. Die Erweiterung der Kunstbegriffs versteht er als Wiedererlangung einer Vollständigkeit der Kräfte denen sich der Mensch entledigt hatte, den Kräften von Imagination, Inspiration und Intuition. Man muß also vernehmen können was von Vorn erklingt.Der Mensch ist ein Zukunftswesen. Die Aussage "Ich denke sowieso mit dem Knie"bezieht sich auf die Alternative zur Bewegungslosigkeit der Menschen die den Kontakt zur Quelle der Bewegung verloren haben. "Intuition statt Kochbuch" heißt Beuys Ausbruch aus dem Gefängnis von Kausalität und Bildungskanon.

Die Auslotung der Kräfte im Usprung verbindet ihn mit Paul Klee und den Dadaisten.Während die letzteren jedoch anarchistisch ausgerichtet sind, macht Beuys den Freiheitsbegriff zur Grundlage eines Systems der Begriffsbildung und des willentlichen Handelns. Auf diesem Zentrum aufbauend gestaltet er eine zielgerichtete an dem Bestehenden anknüpfende Utopie :"JupiterStaat","Soziale Plastik" ["Was es schon gibt ist doch uninteressant!"JB] und bringt diese Utopie selber auf den Weg der Realisierung."Die GRÜNEN", "7000 EICHEN" , "FIU","HONIGPUMPE AM ARBEITSPLATZ"

Erst im Antlitz des Anderen im Erkenne Dich selbst im anderen d.h. im Sozialen, im Tun für andere ,als erstem Sozialen Gesetz(JB), leuchtet der Mensch als Mensch im kreativen Impuls auf. Der Impuls ist der Wille zum Guten.


 

Damit verbindet Beuys "Kunst und Leben ", eine Kunst die sich bisher wohlweislich nur als Wahrnehmung von Realität und modelhafter Realisierung verstanden hatte, aber nie ihre Änderung eingefordert hatte.

Beuys setzt seine Realitätsveränderung ganz konkret an und sieht die Umgestaltung als Gestaltung des Materials: Gesellschaft . Als Werkzeug will er dabei die Methode "Volkabstimmung" nutzen. Zu Lebzeiten gelingt ihm das jedoch nicht vollständig ,er bleibt auf den Teilbereich Kultur -und Ausstellungswesen bezogen, obwohl es ihm gelingt diese Bereiche punktuell zu durchbrechen . Als Mitgründer der Partei " Die Grünen" gelingt ihm ein wesentlicher Beitrag zur Gegenwartskultur.

Beuys inkarniert sich in die von Rudolph Steiner propagierten Ideen zur Gestaltung des Gemeinwesens ein und entwickelte sie weiter.Steiner hatte die Ideeen der französichen Revolution mit Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit benannt und auf Teile des Gemeinwesens bezogen: Freiheit gestaltet den Bereich der Kultur , Gleichheit den Bereich des Rechts, Brüderlichkeit den Bereich der Wirtschaft. Der Mensch ist zugleich Soziales Wesen, Einzelwesen und dann Freies Wesen, er ist Sender und Empfänger. Der Mensch trägt den göttlichen Funken in sich, sein Denken ist größer als jede Galaxie.

Diese Ideen bezieht Beuys auf die Situation des Gemeinwesens "BRD" und macht die Methodik zu dessen Gestaltung im Artikel 20/2 des Grundgesetzes fest" Alle Gewalt geht vom Volk aus. Sie wird in Wahlen und Abstimmungen und von besonderen Organen ausgeübt . In Folge fordert er ein Abstimmungsgesetz unter dem Titel: "VOLKSABSTIMMUNG". Er fordert das Abstimmungsgesetz ein, das die Parteien seit über 50 Jahren zögern zu formulieren, ja die es verhindern. So geht die Gestaltungskraft des Gemeinwesens in Deutschland nur von den Parteien aus. Beuys will diese Gestaltungskraft den Parteien entreißen und sie jedem einzelnen wieder zugänglich machen. Beuys hat sich nie in eine bestehende Gesellschaftslogik einfügen wollen, die sich nicht begrifflich/erkenntnismäßig legitimiert hatte.

Dazu hält er Reden macht Kunstwerke, Ausstellungen und Aktionen, gründet verschiedene Vereinigungen .Er gündet er eine "Partei für Tiere", in der die meisten Mitglieder Tiere sind. In der Realisierung der Utopie eines ganzheitlichen brüderlichen Kosmos von Mensch, Tier und Mineral ist Beuys auf dem Weg zur "SOZIALEN PLASTIK", d. h. der Welt als Kunstwerk, in der JEDER MENSCH EIN KÜNSTLER ist.

Mißverstanden wird er im allgemeinen in jener Feststellung JEDER MENSCH EIN KÜNSTLER , dabei bemüht er jedoch nicht eine Qualitätseinschätzung sondern einen wertneutralen Gestaltungsbegriff. Was jedoch heißt das, wenn der Begiff KUNST nichts über die Qualität der jeweiligen Gestaltung aussagt?". Das zu klären wird unsere Aufgabe sein."Difesa della Natura"(Verteidigt die Natur)(JB)

T . 1998/2003