Überlegungen zur Ausstellung

Diese Ausstellung hat viele unterschiedliche Aspekte. Sie alle auf einen Nenner zu bringen, ist schwer. Wir haben uns auf den Titel "Im Spannungsfeld des Erweiterten Kunstbegriffs" geeinigt und durch "Gelsenkirchener um Beuys" ergänzt.

Das aber sind nur Annäherungen, die Vielfalt des Materials zu strukturieren. Denn im Grunde geht es nicht allein darum, dass "jeder Mensch ein Künstler" (Joseph Beuys) im erweiterten Sinn ist. Ich selbst bin der Meinung, dass es nicht zuletzt damit auch um die Kunst selbst geht. Es geht um das künstlerische Vermögen, das vorzüglich den Menschen und seine Belange, sei es existentiell oder sozial thematisiert und verändert.

Was aber die Ausstellung auch deutlich machen soll, ist der Umstand, dass nie zuvor in Gelsenkirchen ein derartiger Aufbruch stattgefunden hat. Nie zuvor hat es in dieser Stadt derartig gebrodelt und haben junge Leute die tiefe spirituelle Verfassung der Menschen zum Thema gemacht, wie hier in den 70er und 80er Jahren.

Wenn Joseph Beuys von "Sozialer Skulptur" spricht, dann ist es ja das: Künstlerisch-schöpferische Potenzen jedes Menschen bündeln sich zu einer Neugestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das aber bedingt ein verändertes Verständnis von Politik und Sozialem, in der ein neues schöpferisches Prinzip vorherrscht. In einem ganz neuen Sinn ist daher der Erweiterte Kunstbegriff eine Konzentration auf eine veränderte Form von Kunst und Gestaltung.

Was können die Spezialisten, die Künstler und Gestalter im musischen und bildnerischen Bereich, die kulturell tätigen Fachleute unter diesen Gesichtspunkten tun? Eine Wende tut Not. Kunst und Kultur müssen sich in einen fundamentalen Wandel begeben. Der Mensch ist der Mittelpunkt. Nicht der berechnete und berechnende Mensch heutiger moderner Wissenschaft und Technik steht im Focus unserer realen Utopien. Es ist der "erweiterte" Mensch, der mit seinen Füßen auf dem Boden der Erde steht und mit seinem Geist in den Himmel reicht und den Horizont überragt.

So ist der Erweiterte Kunstbegriff alles in allem ein neuer Menschenbegriff, der von dem Bewusstsein des großen Mysteriums Mensch getragen wird. Mit diesem Verständnis können wir ruhig stolz darauf sein, in dieser Stadt zu leben und teilzuhaben an der gemeinsamen Arbeit an einer neuen geistigen Gestalt.

Jürgen Kramer (Kurator) 24.8.2010