Nassauische Neue Presse vom 15.12.2006, Seite 1

Kultur und Service

 

Kein Teppich für Beuys?

Von Christian Huther

Es ist der größte Werkkomplex des Künstlers. Aber der macht auch große Probleme. Denn Joseph Beuys hat 1970 die sieben Räume des Darmstädter Landesmuseums eigenhändig mit mehr als 250 Objekten eingerichtet, darunter Filzplatten, Zeitungen, Skizzen, eingemachtes Obst und ein Fettstuhl. Entsprechend fragil sind die Werke. Doch nun muss der vor 100 Jahren eröffnete Museumsbau grundlegend saniert werden. Das betrifft auch den "Block Beuys" im Obergeschoss. Museumschefin Ina Busch will zwar nur kleine Änderungen vornehmen, die aber große Auswirkungen auf die Ästhetik haben dürften.

Da Beuys vor 20 Jahren gestorben ist, hat sich Busch den Segen der Beuys-Familie geholt. Aber seitdem Busch ihre Pläne bekannt gegeben hat, hagelt es Proteste von vielen Kunstfans. Für sie gehen die Pläne Buschs, die als "putzwütige Hausfrau" beschimpft wird, zu weit. Beuys fand nämlich 1970 grauen Teppichboden, eine hellbeige Wandbespannung und in den kleineren Räumen schräge, abgehängte Decken vor, hinter denen sich Heizungen verbargen. Das soll nun geändert werden.

Die Heizungen werden nicht mehr benötigt, die Decken folglich begradigt. Und im letzten Raum soll eine verschlossene Tür geöffnet werden und zu einem Medienkabinett über Beuys führen. Auch die stark gedunkelte Jute will Busch entfernen und die Wände weiß streichen lassen. Busch argumentiert, dass Beuys die Raumsituation akzeptiert hat, obwohl ihm zumindest die Jute missfallen hat. Um jedoch den Eindruck von 1970 zu erhalten, müsste alle paar Jahre die Jute restauriert oder erneuert werden. Das will Busch nicht. Sie versucht mit zwei Weißtönen die Wände ähnlich zu akzentuieren wie vorher.

All das mag man für Haarspaltereien von Fachleuten halten. Für Museen jedoch geht es um die Frage der Vermittlung. Vor allem Beuys' krudes Werk, das sich um Wärme, Energie und Chaos dreht, ist auf authentische Umgebung angewiesen. Seine Installationen mit Fett, Eierschalen, Filz, Ton, Speckstein, altem Telefon und Fernseher werden in weißen, rechteckigen Räumen mit Parkettböden ganz anders wirken als in dem muffigen, grau- braunen Ambiente der späten Sechziger.

Ina Busch muss sich fragen lassen, weshalb sie erst jetzt, nachdem sie bereits Entscheidungen getroffen hat und dafür viel Kritik einstecken musste, Zeitzeugen wie ihren Restaurator befragt. Günter Schott war nämlich 1970 als junger Mann beim Aufbau dabei und erinnert sich daran, dass Beuys im ersten Raum auf dem Teppich eine gelbe Linie gezogen hat. Nun wird wohl der Teppich erhalten bleiben, Busch muss also ein Stück nachgeben. Dass sich jetzt ausgerechnet der frühere Beuys-Vertraute Heiner Bastian meldet und diese Linie auch gezogen haben will, ist wieder ein neuer Mosaikstein im Verwirrspiel um den "Block Beuys".

 

1768411, FNP , 15.12.06; Words: 441